“Nachhaltigkeit” von Putins Gnaden  

Screenshot: Rosatom

Mehrere Sanktionspakete der Europäischen Union, der USA und Großbritanniens haben Russland bisher nicht beeindrucken können. Klar ist, dass Maßnahmen gegen Energieexporte das Land weit empfindlicher treffen würden als alles, was bisher beschlossen worden ist. Können Öl- und Kohleeinfuhren kurzfristig beendet werden? Lässt sich die Abhängigkeit von russischem Gas nicht schneller reduzieren, als Regierungen und Großkonzerne behaupten? Diese Fragen werden intensiv diskutiert. Bemerkenswert wenig Aufmerksamkeit findet dagegen das Nukleargeschäft. Dabei ist es alles andere als unbedeutend, zumal die Atomlobby unablässig eine Renaissance für ihre Branche fordert. Vor allem osteuropäische EU-Staaten sind für den Betrieb ihrer Nuklearanlagen von Lieferungen aus Russland abhängig. Für diese gibt es sogar Ausnahmen von den Sanktionen.

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„Warum hilft uns Deutschland nicht zu 100 Prozent?“

27.4.2022. In Kyjiw ist jetzt Frühling, die Bäume und Blumen blühen. Ein schönes Gefühl. Als ich gestern von meinem Büro mit Kollegen nach Hause ging, regnete es. Wir sahen einen Regenbogen. Den ersten für mich in diesem Jahr. Ein Hoffnungszeichen in diesen Tagen. Manchmal gibt es noch Raketenalarm. In anderen Teilen des Landes fallen weiter russische Bomben, aber bei uns ist es ruhig. Eine alte Kollegin, die in die Westukraine geflohen war und nun zurückgekehrt ist, reagierte ganz aufgeregt auf die Sirenen und fragte uns, ob wir nicht in den Keller gehen müssten.

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Klaus von Dohnanyi: «Ich habe vor dem Krieg gewarnt»

Foto: Udo Grimberg auf wikimedia commons

Der SPD-Politiker Klaus von Dohnanyi ist ein politisches Urgestein. Im Januar 2022 veröffentlichte er sein jüngstes Buch «Nationale Interessen. Orientierung für deutsche und europäische Politik in Zeiten globaler Umbrüche». Darin warnte er vor einem Krieg in der Ukraine. Am 22. April, zwei Monate nach Kriegsausbruch, interviewte ihn der Norddeutsche Rundfunk. Die Redaktion Infosperber stellt seine wichtigsten Aussagen zur Diskussion. Sie sind wörtlich zitiert und deshalb teilweise umgangssprachlich. Die Interview-Aussagen hat David Huber transkribiert. Bruchstuecke übernimmt hier den Beitrag von Infosperber inklusive der Zwischentitel.

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Der russische Hybrid: Putinistische Weltpolitik

Foto: Christoph Mukherjee

„Oder aber es passiert das Folgende“, resümiert Gerd Koenen: „Nach einer halben Niederlage oder einem ruinösen neuen Pyrrhus-Sieg in der Ukraine — Putin selbst hat es immer wieder an die Wand gemalt: eine chaotische Selbstauflösung dieses von vielerlei Kräften und Tendenzen untergründig durchwirkten Staatsmolochs. Ein Szenario, das man sich so wenig wünschen kann wie irgendeines der anderen Szenarien. Und hier endet im Moment meine Phantasie — wie die aller äußeren Beobachter, oder vermutlich auch aller Bürgerinnen und Bürger Russlands selbst, die sich (offen oder insgeheim) fragen oder bald fragen werden, wann und wie dieser Alptraum enden wird.“ Der Historiker, Schriftsteller und Publizist im Interview mit Wolfgang Storz.

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„Wir“: Seiner Suggestion auf der Spur                                

Wir sind Weltmeister
(Foto: Marcello Casal Jr/ Agência Brasil, wikimedia commons)

Benutzen sprechende Menschen die Wir-Perspektive, kann dies suggestive Wirkungen haben. Die Adressat:innen fühlen sich angesprochen, beteiligt und aufgefordert, wenn es im Falle einer Krise um das Durchhalten geht („Wir sitzen alle in einem Boot“), oder bei einer Naturkatastrophe darauf ankommt, Geld zu spenden. Im Falle des Erfolgs, sind „wir“ Teil desselben („Wir sind Weltmeister“, „Wir sind Papst“). Die Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft ist attraktiv und erzeugt sogar spontane, gegenseitige Hilfe, solange Wir erwarten können, dass die Hilfe die Hilfsbedürftigen erreicht.
Dieser Beitrag lädt die geneigten Leser:innen dazu ein, die Suggestion des Wir durch Differenzierung zu entkräften. Wir, diese temporäre Gemeinschaft, werden uns auf die Suche nach einem vereinnahmenden, abgrenzenden und handlungsfähigen Wir machen, werden Nah- und Fernhorizonte besichtigen, das Oberklassen-Wir kritisch unter die Lupe nehmen und die Problemlösungskomptenz des Generation-Wir in Frage stellen.

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Freiheit nicht gegen, sondern aus Vernunft  

Im Jahr 2020 jährte sich der Geburtstag des Philosophen Georg Friedrich Wilhelm Hegel zum 250. Mal. Anlass für eine Welle von Veranstaltungen und Büchern zu Hegel, neue Biographien, philosophische Standortbestimmung, aber auch viele Versuche, die Aktualität dieses neben Immanuel Kant bedeutendsten Vertreters des deutschen Idealismus und seiner Philosophie für das Verständnis der Gegenwart und ihrer Probleme neu zu bestimmen. Der Philosoph Alexander Schubert legt mit klugem Abstand zum Hype des Jubiläumsjahrs einen schmalen, aber interessanten und gut lesbaren Band zu Hegel vor, der die Aktualität des hegelschen Denkens in einer ebenso fundierten wie originellen Weise deutlich macht.

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Frankreich vor der zweiten Runde: Wer entscheidet am 24. April?

Allons enfants de la patrie! Aber welche Richtung werden die Französinnen und Franzosen am 24. April wählen, um mit ihrer Nationalhymne den “jour de gloire” zu erleben? Auf dem scharf rechten Weg steht Marine le Pen mit weit geöffneten Armen und verspricht ihrem gespaltenen und radikalisierten Volk mütterlich eine „Heilung“. Eine Abbiegung nach scharf Links führt ins Aus: Der Volkstribun Jean-Luc Mélenchon hat es trotz der beachtlichen fast 22 Prozent nicht in die Stichwahl geschafft. Und auf dem Weg mittendurch wartet ein Mann auf seine Wiederwahl, der als Hoffnungsträger vor fünf Jahren begann, dann von den gelben „Warnwesten“ mit Hass überschüttet wurde und heute mit seinem eher knappen Vorsprung von 27,5 vor le Pens 23 Prozent nicht geschlagen, aber angeschlagen in die zweite Runde der Präsidentschaftswahl geht: Emmanuel Macron wird um die Zustimmung seiner Landsleute kämpfen müssen. Die Zeit ist knapp und Skepsis ist angebracht. Wie konnte das nach seinem monatelangen Umfragehoch und seiner zumindest ökonomisch leidlich positiven Bilanz passieren? Ein nüchterner Blick auf die Landkarte nach den Wahlen vom 10. April ist aufschlussreich.

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Auf der Suche nach dem verlorenen Verstand  

Glaskugel aus dem Wiener Sigmund Freud Museum
(Foto: Detlef zum Winkel)

Im Ukraine-Krieg rückt die Möglichkeit eines Waffenstillstands in immer weitere Ferne. Nachdem sich die russischen Truppen aus den Gebieten nördlich von Kiew zurückziehen mussten, wird nun im Ostteil der Ukraine heftig gekämpft. Russland will dort den gesamten Donbass und möglicherweise auch die gesamte Schwarzmeerküste erobern. Mit jedem weiteren Tag wächst das Ausmaß der humanitären Katastrophe, die der Krieg anrichtet. Die Frage ist, ob es in dieser Situation gelingt, den Verhandlungen zwischen den Kriegsparteien mehr Geltung zu verschaffen, als es bisher der Fall war. Damit ein Waffenstillstand eine Chance hätte, müsste man ihn allerdings erst einmal wollen.

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Braucht “unsere” Wettbewerbsfähigkeit Kriegsverbrecher als Geschäftspartner?

Januar 2022 in Berlin: Protestaktion mit einer roten Linie gegen den Bau einer neuen Gaspipeline (Foto: Leonhard Lenz auf wikimedia commons)

Eine Mehrheit von 57 Prozent der Deutschen will unverändert Gas und Öl beim Kriegsherrn Wladimir Putin einkaufen, sagt eine aktuelle repräsentative Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach. Dass die Mehrheit gegen ein vollständiges Embargo so klar ist, das ist auch das Werk von Martin Brudermüller, Vorstandsvorsitzender der BASF, der vor kurzem in einem vielbeachteten Interview vorhersagte, ein Embargo könne den hiesigen Wohlstand zerstören. Wie ticken und argumentieren deutsche Manager in solchen Kriegszeiten, Manager, deren Konzerne seit vielen Jahren von den besonders günstigen Gaslieferungen aus der Diktatur Wladimir Putin profitieren?

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Mit Green New Deal kann man den Leuten nicht kommen, wenn ihr Job gerade verlagert wird  

Sozial-ökologische Modernisierung war das Versprechen, das die Koalition ins Amt getragen hat. Gemeint ist die rot-grüne Koalition vor bald 25 Jahren, nicht die aktuelle Ampelregierung. Sehr weit ist diese Modernisierung seither nicht gediehen. Woran lag es damals und woran liegt es heute? Als Bremser des Projekts waren einmal die Gewerkschaften ausgemacht; den Herren Schröder und Fischer galten sie als solche. Die Unternehmerverbände waren von Rot-Grün durchaus angetan. Die Außenpolitik bezüglich Russlands traf auf höchstes Lob. Den Unternehmensvorständen galt das zerfallene Sowjetimperium als günstige Gasstation, dem man obendrein noch ein paar Gaskraftwerke verkaufen konnte. Das will man heute nicht wahrhaben, ist ja auch schon so lange her. Die damals verkündete ökologische Modernisierung hat es nicht sehr weit gebracht. Womit auch?

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„Das quirlige Leben dieser wunderbaren Stadt fehlt“

Foto: nextvoyage auf Pixabay

13. April. In Kyjiw ist es jetzt ruhig, die Bewohner sind es auch, nachdem unsere Verteidigungskräfte die russischen Invasoren vertrieben haben. Es gibt noch Barrikaden auf den Straßen, aber ohne bewaffnete Posten. Der Verkehr ist noch nicht wieder wie zu Friedenszeiten. Normalerweise fahre ich mit der U-Bahn ins Büro in dem Ministerium, für das ich arbeite. Aber da die U-Bahnschächte wochenlang als Schutzräume für Familien, Frauen, Kinder und alte Menschen dienten, nehme ich jetzt erstmal das Auto. Auch mein Mann kann wieder in sein Ministerium fahren und muss wie ich nicht mehr von zuhause aus arbeiten, als ständig Fliegeralarm war und Granaten und Raketen im Zentrum einschlugen.

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Enges Verhältnis der Rechtsextremen zu Russlands Oligarchen

Bild: johnhain auf Pixabay

Jüngst aufgetauchte Dokumente zeigen, wie vertraut Europas Rechte mit Kreml-nahen Oligarchen zusammenarbeiteten. Als sich Lega-Chef Matteo Salvini im Jahr 2015 im Europäischen Parlament mit einem Putin-T-Shirt zeigte, konnte man das damals noch als spätpubertäre Bewunderung für einen «starken Mann» abbuchen. Wenn SVP-Nationalrätin Yvette Estermann den russischen Einmarsch in die Ukraine am ersten Kriegstag als «nachvollziehbar» bezeichnet, dann lässt das aufhorchen. Estermann findet es zudem «verständlich, dass Putin nicht akzeptieren kann, wenn die Nato sich der russischen Grenze nähert. Er will lediglich das eigene Volk schützen.» Wundern sollte man sich in beiden Fällen nicht: Die Nähe rechter und rechtsextremer Exponenten und Parteien zu Putins Russland ist nicht neu.

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Von wem fühlt sich Putin verstanden? Von Peking im Osten und Rechtsextremisten im Westen

Wer weiß schon, was in den Kremlbunker vordringt, was dort wie gewichtet, was lächerlich gemacht und was ernst genommen wird. Schon deshalb empfiehlt es sich, eilige Engführungen der politischen Debatte nicht einfach mitzumachen. Der Mainstream, dafür gibt es ihn, weiß Bescheid. Aber „Augen geradeaus“ lässt den Horizont schrumpfen. In viele Richtungen zu schauen und zu denken, kann den Realitätsgehalt der Wahrnehmungen verbessern.

Deutsches Historisches Museum, Ausstellung “X für U: Bilder, die lügen”
(Foto: Fabian Arlt)
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Blockkonfrontationen als internationale Ordnung

Foto: Eva K. auf wikimedia commons

Darf ein US-Präsident, dürfen westliche Politiker aussprechen, dass der Führer eines militärisch mächtigen Staates, der einen Vernichtungskrieg gegen ein europäisches Land führt und den gesamten freien Westen bedroht, nicht an der Macht bleiben kann? Natürlich darf er das, natürlich müssen sie es. Theodor Roosevelt [nein, Franklin D. Roosevelt. Danke für den Hinweis] hat es getan, als die USA Hitler-Deutschland den Krieg erklärten. Winston Churchill hat es schon vorher getan, als Großbritannien noch allein stand in der Verteidigung der freien Welt. Charles de Gaulle hat es aus seinem Londoner Exil ebenso getan.

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Militarisierung ist die Spitze des Patriarchats  

Der Spiegel auf Facebook

Seit das Säbelrasseln von Putin begonnen und sich in einem ebenso verlogenen wie brutalen Krieg fortgesetzt hat, sehe ich unseren Sandkasten vor mir. Das Wettrüsten der Jungs mit allerlei technischem Gerät und Plastikwaffen. Erst die Drohgebärden, die Posen und Provokationen, dann die kleinen Territorialkämpfe, die schnell heftig werden konnten. Ab und zu floss Blut, aus einer Nase, von einem Knie. Einmal gingen Zähne verloren. Ich habe mich damals wie heute in erster Linie immer zuerst eines gefragt: Wie liesse sich verhindern, dass der eine über den andern herfällt?

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bruchstücke