Wer denn diese Frau sei: „Das ist Greta“

Greta Wehner (Screenshot: Herbert-und-Greta-Wehner-Stiftung)

Greta Wehner wäre Anfang Oktober 100 Jahre alt geworden. Sie starb 2017 im Alter von 93 Jahren. Nun hat der Wehner-Biograph Professor Christoph Meyer, ein Sozialwissenschaftler, eine sehr sorgfältig erarbeitete Lebensbeschreibung Greta Wehners veröffentlicht. Sie heißt: „Greta Wehner. Eine Frau tritt aus dem Schatten.“

Anfang der siebziger Jahre habe ich mich  als junger Redakteur ins Fahrwasser der SPD begeben. So wie andere in das der Union oder der FDP. Die Parteiapparate waren sehr viel kleiner als heute, Kontakte zu manchen Führungspersönlichkeiten rasch geschlossen. Es waren Kontakte und es war ein Kennenlernen in männerdominierten Apparaten.

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„Was wir beim nächsten Mal besser machen sollten“

Die Erinnerung an Corona verblasst. Die Kriege in der Ukraine und in Gaza, die Migrationspolitik und der Höhenflug der AfD prägen die öffentlichen Debatten. Während die offizielle Aufarbeitung der Pandemie durch staatliche Stellen auf sich warten lässt, häufen sich die Publikationen einzelner Beteiligter. Den Anfang machte Ex-Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) mit “Wir werden einander viel verzeihen müssen”. Der Buchtitel, einer Rede Spahns im Bundestag entnommen, ließ zumindest Anzeichen von Selbstkritik erkennen. Weniger Zweifel am eigenen Handeln offenbarten der Journalist Georg Mascolo und der Virologe Christian Drosten in “Alles überstanden?”. Die in Gesprächsform präsentierte, vorgeblich kritische Bilanz liest sich wie eine Rechtfertigungsschrift zweier Vertreter der gesellschaftlichen Elite. Nun hat Hendrik Streeck, Initiator der “Heinsberg-Studie” über den frühen Virusausbruch im rheinischen Gangelt und später wie Drosten Berater der Politik, seine Sicht der Dinge dargelegt.

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Misstrauen, massenmedial potenziert

Bild: Megan_Rexazin_Conde auf Pixabay

Die Digitalisierung der Gesellschaft übersteigt ihr politisches Verständnis. Sie berührt auch die vorpolitischen Vorausetzungen, unter welchen Bürger:innen ihre Urteils- und Handlungsfähigkeit herausbilden und entwickeln. Über Vorteile und Risiken der Digitalisierung lässt sich reden, wenn die Folgen abschätzbar sind. Dazu gehört, dass die Bürger:innen einen wichtigen Teil ihrer Unabhängigkeit verlieren könnten. Streifzüge durch Bilder und Mythen begeben sich in einer losen, vielteiligen Bruchstücke-Serie auf lebensweltliche Spuren der Digitalisierung.
Ein Anfang lässt sich mit Beobachtungen zur Coronapandemie machen.

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Schule – ein Ort der Rekrutierung?

Foto: U.S. Air Force photo by Tech. Sgt. Samuel Morse auf wikimedia commons
Screenshot: Westfalen-Blatt

Im ostwestfälischen Bad Salzuflen findet die Berufsmesse “MyJobOWL” statt. Den mit Abstand größten Stand aller Arbeitgeber hat die Bundeswehr, zwei Dutzend Soldaten sind im Einsatz. Ein riesig wirkender Tornado-Kampfjet thront in der Mitte der Halle, er bildet den größten Anziehungspunkt für die zumeist jungen Besucher:innen. Am Rande der stationären Flugschau führen Jugendoffiziere im kleinen Kreis Gespräche, Uniformierte berichten von ihren Auslandseinsätzen und schwärmen von den Karrieremöglichkeiten beim Militär. Die Bundeswehr hat ein drastisches Nachwuchsproblem.

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Es war nicht Israel…

Bild: OpenCclipart-Vectors auf Pixabay

Nach dem Raketenangriff des Iran auf Israel am 1. Oktober bildete sich in den USA und Europa sogleich eine politisch-mediale Phalanx, die vor der erwarteten israelischen Reaktion warnte. Führende west­liche Politiker und meinungsbildende Medien befürchteten, dass Israel mit einem umfassenden Schlag gegen iranische Atomanlagen antworten könnte. Dann werde die Lage »brandgefährlich«. In diesem täglich wiederholten Szenario wird Israel als Gefahr für den Weltfrieden dargestellt, um anschließend Betroffenheit über den grassierenden Antisemitismus zu heucheln. Die westliche Politik wäscht ihre Hände in Unschuld, eine Art Pontius-Pilatus-Syndrom.

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Die Parteienlandschaft von morgen – unbekanntes Land

Bild (bearbeitet): Angel Miklashevsky auf wikimedia commons

Veränderte gesellschaftliche Konfliktlinien schütteln das deutsche Parteiensystem durch: „Es befindet sich wie in anderen europäischen Ländern mitten in einer offenen Neuordnung. Also insofern alles ganz normal“, urteilt der Sozialwissenschaftler Horst Kahrs im Interview mit Wolfgang Storz. „Wir stehen vor einer Parteienlandschaft ohne klassische Mehrheiten für ein linkes oder ein rechtes Lager.“ Es werde wohl neue Lagerformierungen geben müssen. Die große Frage sei, „was ist ein Projekt der Zuversicht? Was also liegt hinter dem Horizont des ‚Weiter so!‘ und der gescheiterten ‚Fortschrittskoalition‘? Denn hinter dem Horizont, das wusste schon Udo Lindenberg, muss es ja irgendwie weitergehen, möglichst besser.“

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Warum tut Gabriel so etwas?

2016 in Teheran (Foto: Mohammad Hassanzadeh auf wikimedia ommons)

Sigmar Hartmut Gabriel, 1959 geboren, Kommunal- und Landespolitiker, Bundespolitiker, Vizekanzler, Parteivorsitzender, Außenpolitiker und Aufsichtsratsmitglied, Vorstandsvorsitzender könnte Vorzeige-Beispiel für sozialen und gesellschaftlichen Aufstieg in der sogenannten Boomer-Generation sein. Er könnte beispielhaft die Überzeugung belegen, dass die Verhältnisse der alten Bundesrepublik unglaubliche Chancen boten, aufzusteigen; also auf solchen Wegen, etwas altmodisch beschrieben virtus et honor, Ansehen, Beachtung, Autorität zu erwerben. Hat er aber nicht. Jedenfalls nicht in dem Maße, wie das zu erwarten gewesen wäre. Wie kommt das?

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Drastische Folgen für Medien und Kunst, Wissenschaft und Bildung, Polizei und Justiz

Foto:Die Linke auf wikimedia commons

Maximilian Steinbeis warnt in seinem Buch „Die verwundbare Demokratie“ vor einem Missbrauch der freiheitlichen Rechtsordnung durch populistische Parteien. Auch wenn sie sich in Opposition befinden, können Feinde der Demokratie die freiheitliche Rechtsordnung für ihre Zwecke missbrauchen, lautet die Kernthese des Autors. Der Jurist und Publizist betreibt schon seit 2009 den „Verfassungsblog”, auf dem wissenschaftliche Fragen im Grenzbereich von Politik und Recht diskutiert werden. 

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Streit, Sauerstoff der politischen Kultur

Zum Wesen der Demokratie gehört die politische Auseinandersetzung. Und zwar über jedes Thema. Leider erwecken viele den Eindruck, dass lebhafter, leidenschaftlicher politischer Streit vor allem eines ist: lästiger Lärm. Beispielsweise wenn es um »den Ampel-Streit« geht. Dann wird in der medialen Berichterstattung so getan, als ginge geradezu Ungeheuerliches vor sich. Dass die Parteien hier etwas aushandeln, dass verschiedene Interessen und Standpunkte gegeneinander abgewogen und »erstritten« werden, dass unterschiedliche Bedürfnisse berücksichtigt werden, dass positive und negative Effekte politischer Entscheidungen antizipiert werden, das ist eine Binse. Auch, dass politische Streiterei mitunter eigensinnig, kurzsichtig und eitel ist. Partei-Lautsprecher (freilich auch -Innen…) tun nun einmal alles, dass der mediale Dauerlärm nie verstummt und jeder Sturm im politischen Wasserglas zum bedrohlichen Tsunami hochgejazzt wird. Das gehört zum Grund-Sound der Polit-Arena, wie die Dauerbeschallung im Supermarkt.

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Kein ökologisches Desaster wäre ein Wunder

Fritz B. Simon hat in rund 300 Fachartikeln und über 30 Büchern viele gute Texte geschrieben, gut im Sinne von analytisch stark, vergleichsweise verständlich, mit souveräner Distanz bei empathischer Nähe zum Thema. Jetzt liegt mit „Die kommenden Diktaturen“ ein Meisterstück an Klugheit und Klarheit vor; ein kleines ist man versucht zu sagen, denn es sind nur 82 Seiten, doch Qualität ist keine Frage der Seitenzahl. Hier antwortet ein gebildeter Mensch mit praktischen Erfahrungen, politischem Verstand und einem weiten wissenschaftlichen Horizont auf die klassischen Fragen, was ist der Fall, was steckt dahinter und wie könnte es weiter gehen.

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Die letzten Mohikaner des Realen geben auf

Foto: Elke Wetzig auf wikimedia commons

Kant weist der Publizistik die Aufgabe zu, zwischen Politik und Moral zu vermitteln. Im laufenden Kant-Jahr scheint es einmal angebracht, darüber nachzudenken, wie gut die publizierte Öffentlichkeit dieser Aufgabe nachkommt. Natürlich gibt es die publizierte Öffentlichkeit nicht, denn wir genießen doch eine Vielfalt politischer Meinungen. Genießen wir? In der Debatte um Migration erlebt der Medienkonsument ein Meinungsmonopol, an dem sich vor allem Die Grünen bislang die Zähne ausbissen. Wer sich asylrechtlichen wie moralischen Standards verpflichtet fühlt, erfährt kaum publizistische Unterstützung. Der grüne Bundesvorstand scheint nun daraus zu folgern, es sei klug, sich diese Unterstützung zu erschleichen, indem man, wie die anderen Parteien auch, auf solche Standards pfeift.  

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Für eine glaubhafte, wirksame Alternative

Es ist ein Gemeinplatz, dass eine Multikrise herrscht, die sich durch unberechenbare Folgen des Klimawandels, notwendige sozial-ökologisch-ökonomische Transformation und das parallel gestiegene politische Aggressionspotential unter dem Druck von rechtspopulistischen Parteien in westlich-kapitalistischen Gesellschaften noch verschärfte. Vor Jahren, genauer: 2009, starteten die IG-Metall und ver.di die Buchreihe „Jahrbuch Gute Arbeit“, die mittlerweile eingestellt wurde. Jetzt erschien der Band „Gute Arbeit gegen Rechts“. Er beruht auf der Kooperation eines Teams um Hans-Jürgen Urban vom IG-Metall-Vorstand (mit Dirk Neumann, Klaus Pickshaus und Jürgen Reusch). Dieses Team bemüht sich um die Formulierung einer “Arbeitspolitik“, die gewerkschaftliche mit wissenschaftlicher Politik und betrieblicher Praxis zur „Stärkung der Demokratie“ verbindet, wie Christiane Benner, die Vorsitzende der IG-Metall, in ihrem Geleitwort schreibt.

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„Es ist zu spät für ein Verbot der AfD“

Brandmauer? „Schon das Sprachbild ist misslungen.“
(Foto: Ronny Ueckermann auf wikimedia commons)

Viel zu lange wurde die AfD nicht ernst genommen als eine politische Kraft, die systematisch und durchdacht eine Strategie betreibt, die Grundlagen der parlamentarischen Demokratie zu zerstören, sagt der Sozialforscher Horst Kahrs im Interview mit Wolfgang Storz. Das gewachsene faschistische Milieu lasse sich nicht einfach wieder klein kriegen, schon gar nicht mit einem Parteiverbot, argumentiert Kahrs, aber man könne es politisch kleiner machen. Dafür müssten die demokratischen Parteien aufhören, der AfD und deren Themen hinterherzulaufen, und stattdessen die sozialen und ökologischen Probleme entschieden, für jedermann erkennbar anpacken.

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„Simples Aufholen“ immer unwahrscheinlicher

Wächst wirklich zusammen, was zusammengehört, wie einst Altkanzler Willy Brandt nach dem Mauerfall hoffte? Der Soziologe Steffen Mau widerspricht, Ostdeutschland bleibe auf Dauer anders. Nach der Europawahl im Juni zeigte die Landkarte ein eindeutiges Bild: Nahezu vollständig blau eingefärbt war das Gebiet der ehemaligen DDR, Gewinner der Wahlkreise fast immer die AfD. CDU-dominiert mit vereinzelten grünen und roten Punkten in Groß- und Universitätsstädten präsentierte sich dagegen die alte Bundesrepublik. „Ungleich vereint“ lautet die Diagnose des an der Berliner Humboldt-Universität lehrenden Autors.

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„Finanzielle Verflechtungen zwischen Staat und Kirchen kappen“

Karikatur aus Bayern: Mönche und Nonnen treten im Zuge der deutschen Säkularisierung von 1802/03 ihr Eigentum an den bayerischen Kurfürsten ab (Bild, 1803: Unbekannt auf wikimedia commons)

Für Jahrhunderte zurückliegende Enteignungen erhalten die Kirchen noch immer Entschädigungen vom Staat in Millionenhöhe. Die Ampel-Regierung will das beenden – gegen den Widerstand der Länder und der CDU. Wenn man Menschen – ganz gleich, ob gläubig oder ungläubig – versucht, die sogenannten „Staatsleistungen“ an die Kirchen zu erklären, trifft man auf Kopfschütteln. Kaum jemand weiß davon. Es geht dabei nicht um staatliche Zahlungen, etwa für den Betrieb von Kindergärten, Krankenhäusern, Pflege- und Seniorenheimen, die ohnehin fast vollständig von öffentlichen Haushalten (also von allen Steuerzahlen) an Caritas oder Diakonie geleistet werden. Nein, die Kirchen bekommen das Geld als – salopp formuliert – „Ausgleichzahlungen“ aufgrund der Säkularisation Anfang des 19. Jahrhunderts.

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