Im Namen des Herrn, des Volkes, des Marktes

Bilder: wikimedia commons (2), Pixabay (rechts)

Unsere Gesellschaft hält sich die Politik als Magd, beklagt und entrüstet sich aber gleichzeitig darüber, dass diese nicht wie eine Herrin auftritt. Politikerinnen und Politiker sollen erstens machen, was alle anderen wollen, zweitens sollen sie führen und lenken. Die Verwirrung auf beiden Seiten könnte kaum größer sein. Die Kandidierenden für machtvolle Ämter versprechen, dem Volke zu dienen. Die Wählerinnen und Wähler argwöhnen, dass die Versprechungen nur den Weg an die Fleischtöpfe der Macht ebnen sollen. Politik ist in der modernen Gesellschaft eine so anspruchsvolle, nachgerade paradoxe Aufgabe geworden, dass fast alle, die sich daran versuchen, irgendwann als Tölpel dastehen und sich von Klugscheißern in Wirtschaft, Wissenschaft und Medien vorhalten lassen müssen, sie könnten es halt nicht. Und die Politik selbst? Sie beruft sich auf nichts lauter und öfter als auf Freiheit und Demokratie – ohne zu merken, dass sie damit ihr beiden großen Abhängigkeiten feiert.

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„Du bist kein Pferd! Du bist keine Kuh!“

Intromusik: terrasound.de

Das Wort Pferdnarr bekommt in Corona-Zeiten eine neue Bedeutung.
Im November 2021 auch in Österreich: „Entwurmungsmittel in Österreich ausverkauft – weil FPÖ-Chef es bei Corona empfiehlt. Laut Apothekerverband kommt es in Österreich zu Vergiftungen mit Ivermectin.“ (Spiegel-Online)

Geschrieben und gesprochen von Joe Kerr.

Klagewelle in den USA gegen «Big Oil»-Firmen

Foto: Alf van Beem auf Unsplash

Nach Jahrzehnten enormer Macht stehen Amerikas Erdölgiganten vor der grossen Abrechnung. Sie werden mit Klima-Klagen eingedeckt. Eine Klagewelle in den USA zielt darauf ab, die Öl- und Gasindustrie für die Umweltzerstörung durch fossile Brennstoffe zur Rechenschaft zu ziehen. In der englischen Zeitung «The Guardian» berichtet der Journalist und Buchautor Chris McGreal, wie betroffene Gemeinden und Bundesstaaten vor die Gerichte ziehen. Küstenstädte, die mit dem steigenden Meeresspiegel zu kämpfen haben, Staaten im Mittleren Westen, in denen Mega-Regenfälle Ernten und Häuser zerstören, und Fischergemeinden, die ihre Fänge durch die Erwärmung der Gewässer verlieren: Sie fordern von den Ölkonzernen Schadenersatz und dringende Massnahmen, um weitere Schäden durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe zu reduzieren.

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(N°19) Der lachende Dritte

Intromusik: terrasound.de

Scholz kann nur gewinnen, weil die anderen verlieren.
Für die Union wäre Söder der bessere Kandidat gewesen, sagt Jana Faus, Geschäftsführerin von Pollytix, Institut für qualitative Politikberatung und Wahlforschung.
Horand Knaup und Wolfgang Storz sprechen mit der Wahlforscherin über die Aussagekraft von Umfragen in fragilen Zeiten und „eine extreme Personalisierung“ im Wahlkampf.


Die Wochen des Wahlkampfs, so eine Art Fußball-WM

„Dass sich Abgeordnete der Unionsparteien im Zuge der Pandemie schamlos bereichert haben, hat viele ihrer weniger begüterten AnhängerInnen zutiefst verstört.“
Bild: Screenshot BR24

Im Maschinenraum des SPD-Wahlkampfes wird gute Arbeit geleistet, sagt der erfahrene Kampagnenmanager Volker Riegger. Ganz im Unterschied zur erstaunlichen Planlosigkeit der machtpolitisch so gut trainierten Unionsparteien. „Sie scheinen jetzt den Preis zu zahlen für die systematische Politik-und Konflikt-Entwöhnung, mit der ihnen Frau Merkel so viele Jahre lang die Macht gesichert hat“, analysiert der Professor für strategische Planung auf Fragen von Hans-Jürgen Arlt.

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Karlsruhe und das Gemeinwohl: Zwei wuchtige Urteile mit Tragweite

Der „gesellschaftliche Zusammenhalt“ wird landauf, landab beschworen: Von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in millionenschweren Forschungsprojekten, von Wahlkämpfern von Links bis Rechts, in den so genannten sozialen Medien und nicht zuletzt vom Bundespräsidenten. Die beiden Wörter signalisieren, dass etwas in Deutschland zu verkümmern droht oder bereits verkümmert ist. Gemeint ist das Denken und Handeln nicht nur für sich selbst, sondern für die und mit den Anderen. Dafür gibt es das schöne Wort Gemeinwohl, das Fundament für eine lebendige Demokratie. In zwei Urteilen innerhalb von fünf Monaten haben die Richterinnen und Richter des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe die bisherigen wolkigen Formeln geerdet. Es sind unerhörte Töne, die vom ersten Senat im März und im August ausgestrahlt wurden.

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„Eine panische Union hat die Linke wieder ins Spiel gebracht“

Bundeskanzlerin Angela Merkel macht es nach und gibt es vor: Weil sie mit ihrer Warnung vor einem „Linksrutsch“ ihre Stammwählerinnen und -wähler mobilisieren wolle, die von der Kür Armin Laschets eher demotiviert seien, hätten CDU/CSU die Partei Die Linke ins Wahlrennen zurückgeholt, analysiert der Sozial- und Wahlforscher Horst Kahrs im Interview mit Wolfgang Storz. Wie aussagekräftig sind überhaupt die momentanen aufgeregten medial-demoskopischen Aktivitäten?

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Das vorletzte Wort: 70 Jahre Bundesverfassungsgericht

Screenshot: Website Bundesverfassungsgericht

Zwei Tage nach der Wahl zum 20. Deutschen Bundestag wird das Bundesverfassungsgericht siebzig Jahre alt. Genauer gesagt: Am 28. September 1951 wurde es in Anwesenheit von Bundespräsident Theodor Heuss und Bundeskanzler Konrad Adenauer offiziell eröffnet, hatte aber der Dringlichkeit wegen schon Anfang September eine erste Entscheidung zu treffen. Ein Rückblick auf die Geschichte und Entwicklung des Gerichts ermöglicht eine kritische Gegenwartsdiagnose: Um welche Freiheiten und Freiheitsgrade geht es eigentlich, und was nehmen die Bürger:innen davon wahr und für sich in Anspruch? So stabil das Vertrauen in das Bundesverfassungsgericht seit Jahrzehnten ist, so labil erweist sich der „soziale Zusammenhalt“ gerade jener, die sich emphatisch auf ihre Grundrechte berufen.

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(KW35) Scholz gerade obenauf. Wer versinkt in den Meinungswellen?

Intromusik: terrasound.de

Im August gewinnt die SPD sieben Prozent, die Union verliert acht. Kurz vor dem Finish haben sich die Verhältnisse verkehrt. Wie stabil ist das Hoch der gemerkelten SPD? 
Kommen Baerbock und Laschet doch noch aus der Tiefe des Wellentals? 
Horand Knaup und Wolfgang Storz mit interessanten Thesen — wie immer mal besser, mal schlechter begründet. 

Fundstücke der Woche:
1. Seelisches Trümmerfeld
2. Kein Hauskauf für Ausländer in Kanada
3. Staatliche Bezahlung für Angehörige von Pflegebedürftigen

Wortungetüme und einlullende Plakate = heißer Wahlkampf

Heiß sei ab sofort der Wahlkampf, heißt es, die Urnen geraten in Sichtweite: Plakate, Fernsehspots, Trielle machen sich breit. Und ausgerechnet jetzt mehren sich die Hinweise: Die vielen Menschen draußen im Lande verstehen die zur Wahl stehenden Menschen (schon in Machtzentren zuhause oder noch am Zaun rüttelnd) gar nicht.

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Nomaden der Neuzeit: „Und dann guckt man, wo es sonst hingeht“

Wahlberechtigte, die keine Wohnung innehaben (so steht es auf der Website der Bundeswahlleitung), werden nur auf eigenen Antrag in ein Wählerverzeichnis eingetragen. […] Wenn ein Wohnungsloser in das Wählerverzeichnis eingetragen ist, kann er auch wie jeder andere Wahlberechtigte an dem Briefwahlverfahren teilnehmen.

Foto: Bianca Ackermann auf Unsplash

Ist Freiheit auch für wohnungslose, nicht sesshafte Menschen ein großes Thema? Menschen ohne festen Wohnsitz, Menschen ohne Zuhause, Menschen, die vagabundisch unterwegs sind, Nomaden der Neuzeit – Mobilität als Lebensentwurf und als Schicksal, es sind viele, die es betrifft. Mit einzelnen von ihnen bin ich im Gespräch, auch über das Thema Freiheit.

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Viele Vorbilder, zu wenige Nachahmer

Wo gibt es Vorbilder? Die heute bereits zeigen, wie wir leben, arbeiten, wohnen, uns fortbewegen, produzieren, ohne die Natur (und uns) zu ruinieren? In vielen Städten ist dieser Wohlstands-Fortschritt, sind diese kleinen Transformationen schon zu erleben. Leider meist im Ausland, weniger bei uns.

Die „Bicycle Snake“ ist eine Brücke durch den Kopenhagener Hafen und nur für Radfahrer zugelassen. Nachts leuchtet der orangefarbene Boden. (c) Cycling Embassy of Denmark, DISSING+WEITLING.
Screenshot https://www.diamantrad.com/blog/fahrradstadt-kopenhagen/
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Illusionen, Leid und eine Lehre

Fotos (3): Fabian Arlt

Die USA, Deutschland und die Nato sind mit ihrem Modellprojekt, in Afghanistan Demokratie und Menschenrechte mit militärischen Mitteln durchzusetzen, grausam gescheitert. Die Welt richtet sich immer weniger nach westlichen Werten. Trotzdem: War in Afghanistan alles umsonst? Sicher nicht. Denn was die westlichen Entwicklungshelfer und NGOs dort gesät haben, wird irgendwann, wenn der jetzige Alptraum vergangen ist, hoffentlich Frucht tragen. Entwicklung, Freiheit, Demokratie und Versöhnung können jedoch nur von innen wachsen.

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Für Realitätsverweigerung die Note sehr gut

Bild: TUBS, wikimedia commons

Unter dem Titel „Erst politisch gescheitert, dann militärisch verloren“ veröffentliche die Bundeszentrale für politische Bildung im April 2016 einen Meinungsbeitrag des Friedens- und Konfliktforschers Jochen Hippler. Wir übernehmen Hipplers Analyse auf bruchstücke, weil uns deren Erklärungskraft für die heutigen tragischen Geschehnisse in Afghanistan beachtlich erscheint. Aus der Perspektive politischer Theorie könnte der Bogen noch weiter gespannt werden. Neben der Klima-Krise und der Corona-Pandemie (auch an den Zusammenbruch des realen Sozialismus wäre zu denken) ist das Afghanistan-Desaster ein weiterer Fall, der die große Frage aufwirft, weshalb modernes Regieren so sehr von Realitätsverweigerungen lebt – bis der Kollaps kommt.
Jochen Hippler meinte vor fünf Jahren, die stärkste Militärmacht der Welt habe den Krieg gegen vielleicht 35.000 schlecht bewaffnete Kämpfer politisch verloren. Die Ursachen lägen in den komplexen Machtverhältnissen in der afghanischen Gesellschaft und dem mangelnden Verständnis der NATO für den Charakter des Krieges am Hindukusch. Im Folgenden seine Analyse.

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Gute Übersicht trotz geringer Flughöhe

Screenshot Deutschlandfunk-Website

Eine leicht zugängliche Orientierung über Aktualitäten auf dem Buchmarkt für politische Literatur liefert das Magazin „Andruck“, das der Deutschlandfunk montags von 19.15h bis 19.59h ausstrahlt. Die Sendungen stehen als Podcasts jederzeit zur Verfügung. Das sozialwissenschaftliche Nachrichtenportal soziopolis urteilte zurecht: „Die theoretische ‚Flughöhe‘ der Besprechungen bleibt zu Gunsten einer Orientierung an einzelnen Phänomenen, Geschehnissen oder Personen allerdings meist gering.“ Aber dass ein Massenmedium eher populär als wissenschaftlich informiert, kann keine unangenehme Überraschung sein. In der Sendung vom 23. August 2021 werden unter anderem vorgestellt: Herfried Münklers vielfach rezensiertes Buch über das „Trio infernale“: „Marx, Wagner, Nietzsche. Welt im Umbruch“, Rowohlt Verlag sowie Elizabeth Kolbert: „Wir Klimawandler. Wie der Mensch die Natur der Zukunft erschafft“, Suhrkamp Verlag und Martin Florack, Karl-Rudolf Korte, Julia Schwanholz (Hrsg.): „Coronakratie. Demokratisches Regieren in Ausnahmezeiten“, Campus Verlag. Fortgesetzt wird der Blick auf den Wahlkampf: „Das Wahlprogramm als Politische Literatur – Teil 3: AfD“.