Mit Reparieren einfach weiterkommen

Die Freuden der Bastelecke.
Reparaturen als konstruktiver Gegenentwurf zum Wegwerfkapitalismus
(Foto: CC BY-SA 2.0 Martin Abegglen / flickr)

Die Maßnahme, mit der viel erreicht werden könnte, wäre bescheiden, einfach und leicht zu bewerkstelligen, sie öffnete ein Türchen in eine etwas andere Wirtschaft: Der Bundestag senkt den Mehrwertsteuersatz auf Reparaturen von 19 auf sieben Prozent – ist eine Steuer mit diesem Namen bei Reparaturen doch sowieso völlig fehl am Platz. Denn noch ist reparieren (lassen) unrentabel; im Gegensatz zur Verschwendung, zum Neukauf. Schweden hat bereits vor Jahren diesen Weg eingeschlagen. Die Folgen für Natur, Handwerk und den sogenannten kleinen Geldbeutel wären positiv. Negativ wäre es für den Konsumwahn, denn der würde auf Dauer gedämpft, das wäre Sinn der Sache. Weshalb die Handelskonzerne und die sie beliefernden Produzenten alles tun, um das zu verhindern, denn für sie wäre dieser neue Trend die mit Abstand schädlichste Variante. Trotz aller Widerstände tut sich was.

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Konstruktive Radikalität und utopischer Realismus – Auf der Suche nach der guten neuen Zeit

Plakat aus dem nordrhein-westfälischen Landtagswahlkampf des Jahres 1947 https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=30229245

Ausgehend von der Corona-Krise fragen sich Ingrid Kurz-Scherf und Hans-Jürgen Arlt via Email, wie gangbare Wege gefunden werden können, die in eine politische Ökonomie der Nachhaltigkeit, der Gerechtigkeit und der Demokratie führen. Max Horkheimers (und Antonio Gramscis) Maxime, dem sehr begründeten theoretischen Pessimismus mit einer persönlichen optimistischen Praxis zu widersprechen, könne nur der Anfang sein. Denn „wenn ‚das Gute‘ keine Grundlage in der Theorie hat, dann ist entweder die Praxis, die darauf zielt, von vorneherein zum Scheitern verurteilt, oder die Theorie ist mindestens unvollständig, vielleicht sogar falsch“. Immer wieder hilfesuchende, aber auch kritische Blicke auf die Gesellschaftstheorien von Karl Marx und Niklas Luhmann werfend, sucht der „Schriftwechsel“ nach theoretischen Anschlüssen und strategischen Orientierungen einer emanzipatorischen Praxis. Er ist zugleich eine Einladung an seine Rezipienten, ihn kommentierend und kritisierend weiter zu schreiben.  

Als edition bruchstuecke #2 steht der Text
auch als pdf zum Download zur Verfügung.

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Humanitäre Kompromisse statt Polarisierung der Empörten

Wie selten befindet sich Deutschland im Blindflug. Welcher ökonomische Donner wird dem Lock-Down-Blitz vom Frühjahr folgen? Noch sind wir im kurzen Moment der Stille zwischen Abschuss und Einschlag. In einem Jahr wird es Bundestagswahlen geben. Nicht auszuschließen, dass es die ersten echten und nicht nur herbeigeredeten Krisenwahlen der deutschen Nachkriegsgeschichte werden. Gerade in einer solchen Situation stellt sich für Verantwortliche, Aktive und auch das interessierte Publikum (das wiederum mit Akklamation oder Ablehnung indirekt Einfluss auf die Handelnden nimmt) die Frage nach der richtigen Strategie. Ich gehe davon aus, dass für Verlauf und Ergebnis der jetzigen politischen Entwicklung jenes Ping-Pong der Extreme von enormer Bedeutung ist, das nicht nur in der Corona-Auseinandersetzung wirkt, sondern das auch in dem Streit um die Migrations- und Genderfrage (und anderen sogenannten Identitätskonflikten) anhaltend prägend wirkt.
Ich stelle dem Ping-Pong der Empörten die Arbeit an einem „historischen humanitären Kompromiss“ entgegen. Sie umfasst faire und offene Debatten über all die relevanten Fragen, welche die „Gutwilligen beider Seiten“ bisher (bis zur Unversöhnlichkeit und Sprachlosigkeit) spalten. Auf moralische Selbstüberhöhung und Diffamierung anderer Meinungen und Erfahrungen sollten beide Seiten verzichten.

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Natur und Arbeit – Freunde oder Feinde?

Natur…

…schutz.
——————————————————-Fotos: Fabian Arlt

Ökologische Nachhaltigkeit und soziale Gerechtigkeit sind viel beschworene, weil gründlich verfehlte politische Ziele. Bei aller Distanz und gegenseitiger Kritik zwischen Grünen und Roten (nicht partei-, sondern gesellschaftspolitisch gemeint) fehlt es gleichwohl nicht an Hoffnungen und Beteuerungen, umweltpolitisch Engagierte und gewerkschafts- wie sozialpolitisch Aktive könnten und sollten mehr kooperieren, öfter gemeinsame Initiativen und Projekte auf den Weg bringen; Demokratie und Solidarität seien ihnen doch gleichermaßen wichtig. Aber alte Aversionen stehen neuen Allianzen im Weg, Barrieren zwischen grün und rot wurzeln tief in Geschichte und Struktur der Moderne.

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(N°1) Was soll das?

Intromusik von terrasound.de

Hans-Jürgen Arlt überlegt, warum er für die Bruchstücke schreibt

Doch lieber lesen? Den Text gibt es hier.

Gefühle triumphieren über Fakten

(Bild: Wikimedia Commons)

Die chinesische Regierung steht wegen ihres Umgangs mit den Uiguren in der Provinz Xinjiang und der Niederschlagung der Demokratiebewegung in Hongkong massiv in der Kritik. Sobald jedoch von der deutschen Politik eine klarere Haltung zu diesen oder anderen Problemen verlangt wird, verweisen Gegenstimmen auf die Abhängigkeit der deutschen Wirtschaft von China. In einem Heidelberger Forschungsprojekt haben wir uns den Umgang der deutschen Presse mit China genauer angesehen und die Abhängigkeitsthese auf ihren Sachgehalt überprüft.

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Kippt das deutsche Exportmodell?

Beendet Covid-19 das Schmarotzer-Dasein der deutschen Volkswirtschaft, auf das hier alle so stolz sind? Mit gravierenden Folgen für Arbeitsplätze und Wirtschaftsstruktur, mit mental-kulturellen Einschnitten für das Selbstverständnis des Landes? Seit gut 20 Jahren feiert sich Deutschland wegen seiner enormen Exportüberschüsse: wie toll wettbewerbsfähig die Branchen mit ihren Autos, Chemikalien und Maschinen seien. Die Devise: allen anderen Ländern viele Waren verkaufen, bei ihnen aber möglichst wenig einkaufen; so wurde das Land immer wieder Export-Weltmeister. Viel spricht dafür, dass die jetzige Gesundheits-Krise dieser gefährlich einseitigen Wirtschaftsstruktur den Garaus macht. Die Debatte läuft, jüngst hat sich sogar der Christdemokrat Wolfgang Schäuble, Bundestagspräsident, eingeschaltet: Es sei Zeit, „die Exzesse der Globalisierung“ zu überdenken.

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Warum Öffentlich-Rechtliche Medien?

Der Zauber einer alten Radioskala
(Foto: Maximilian Schönherr / Wikimedia Commons)

Frequently Asked Questions, abgekürzt: FAQ, sind ein seit den frühen Internettagen bewährtes Format der Wissensvermittlung. Gerade hat die Heinrich-Böll-Stiftung eine Broschüre des Mediensoziologen Volker Grassmuck herausgegeben, die verspricht, „Auskunft zu einigen häufig gestellten Fragen“ über öffentlich-rechtliche Medien zu geben. Eine Leseempfehlung.

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Warum stehen Lehrende wie Sendemasten vor den Lernenden?

Die Hörsäle von heute, ‚Lost Places‘ von morgen?
Hier der Hörsaal von gestern des Instituts für Anatomie der FU Berlin in Dahlem
Foto: Fabian Arlt

Weil Bildung seit Februar 2020 unversehens im Ausnahmezustand stattfindet, ist sie selbst in einen Ausnahmezustand geraten. Musste das so kommen? Nein. Es ist so gekommen, weil eine sehr alte Erfahrung besagt, dass das Lernen am besten so funktioniert, wie wir es seit langem erproben, kennen und gewohnt sind. Als wir dann mit der Digitalisierung das Schwungrad der Weltveränderungen angeworfen haben, ließen wir das Lernen weitgehend außen vor, weil es ja bereits gut funktionierte und es ökonomisch uninteressant schien.

Jetzt belehren wir uns unter Druck eines Besseren: Wir verändern die Bildung – und damit uns alle – durch die Kontaktbeschränkungen und erfahren, dass etwas funktioniert. Was wäre, wenn wir den Umstand zum Anlass nehmen und mit der Idee von Bildung neu anfangen?

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Wohltat statt Wohlfahrt – wie sich Überreiche Macht und Vermögen sichern

Bild: John Hain auf Pixabay

Wie gelingt es den Vermögenden, sogar in größten Krisen weitgehend ungeschoren davon zu kommen? Dieses Thema des Buchautors Martin Schürz müsste das Thema dieser Monate sein: Wenn die Regierungen in der EU so enorm viele Schulden machen und Steuergelder en masse in die Hand nehmen, um die globale Gesundheits- und Wirtschaftskrise wenigstens halbwegs zu bewältigen — da müssen Millionäre und Milliardäre doch gehörig bluten, um diese exorbitanten Schulden schnell wieder abbauen zu können. Nein? Nein!


Martin Schürz ist Wirtschaftswissenschaftler und Psychoanalytiker, arbeitet mit traumatisierten Jugendlichen und erforscht zugleich seit Jahren die Welt der Überreichen. Sein Buch ist auch reich an Fakten, obwohl seine These lautet: Gerade bei diesem Thema führen Fakten nicht weit. Weil Gefühle ausschlaggebend sind.

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Bisher keine „rechte Landnahme“ in der Zivilgesellschaft

Ist die Zivilgesellschaft Hort der Demokratie oder das Einfallstor für rechts? Dieser Frage widmet sich die druckfrische Studie „Bedrängte Zivilgesellschaft von rechts. Interventionsversuche und Reaktionsmuster“, die an der Universität Kassel im Fachgebiet „Politisches System der BRD – Staatlichkeit im Wandel“ erarbeitet, von Wolfgang Schroeder verantwortet, von der Otto Brenner Stiftung finanziert und publiziert wurde. Methodisch transparent, konzeptionell klug, theoretisch-begrifflich auf hohem Niveau – ein solches Lob kann man angesichts der allgemeinen Studien-Inflation nur selten aussprechen, diese Studie hat es verdient. Den vier AutorInnen gelingt es nicht nur, Rechtspopulismus und Rechtsextremismus gut konturiert voneinander abzugrenzen. Sie schaffen es auch, die oft hilflos-schwammig verwendete Bezeichnung „Zivilgesellschaft“ als Analyse-Werkzeug präzise zu handhaben.

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„Wir erreichen mehr, wenn wir nicht laut werden“

Der One-World-Bear am Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) in Berlin
(Foto OTFW / Wikimedia Commons)

Wer führt eigentlich noch eine kritische Auseinandersetzung mit der Entwicklungszusammenarbeit? Die Erfolge von BMZ-Minister Gerd Müller, CSU, sind überschaubar – aber die deutschen Hilfsorganisationen hat er nicht zu fürchten. Die fliegen lieber zum Zwecke der Spendenakquise Prominente als Testimonials in Dürregebiete als harte, nachvollziehbare politische Forderungen zu formulieren. Lieber schreiben sie Anträge für neue millionenschwere Projekte, als mit provozierenden Fragen einen neuen Nord-Süd-Diskurs anzustoßen.

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Ist das Internet zur Facebook-Repräsentanz degeneriert?

Das Internet steht seit langem unter Beschuss von Kritikern. Es soll eine „Wüste“ (Clifford Stoll) geworden sein. Es soll von wenigen Konzernen beherrscht sein. Es soll seinen ursprünglichen Visionen untreu geworden sein.Das Internet scheint eher ein Dschungel als eine Wüste zu sein. Es wird in der Tat von wenigen Konzernen beherrscht. Und bei den Visionen ist die Frage, ob diese in der Frühphase des Web auf realistischen Optionen basierten.
Stefan Münz, Informatiker-Urgestein und Verfasser des ehedem wohl meistverbreiteten Leitfadens zum Basteln von Websites auf Basis von HTML, bezeichnete Facebook, Google & Co. als „Sargnägel für das Internet“. Im Spiegel-Interview klagt er, die Grundidee des Internets gehe verloren. Sind fatalistische Einschätzungen berechtigt?

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Nachrichtenjournalismus und die Sicherung der digitalen Öffentlichkeit

Kultstätte Newsroom (hier: Al Jazeera)
(Foto: Wittilama / Wikimedia Commons)

Nachricht und Kontext

Viele Journalistinnen und Journalisten sehen in der Nachricht das zentrale und wichtigste Produkt ihres Geschäfts. Schnell, präzise, nüchtern und neutral hilft sie dem Publikum, im Weltgeschehen auf dem Laufenden zu bleiben. Morgens, zum Einstieg in den Tag, abends, als sein Résumé, und dazwischen gelegentlich im Alarmmodus, wenn sich etwas Besonderes ereignet hat – der Fluss der Nachrichten fordert immer wieder unsere Aufmerksamkeit und belohnt uns dafür mit der Chance, informiert an einer gemeinsamen Öffentlichkeit teilzuhaben.

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Auf Wunder ist nicht zu hoffen

Ohne seine „dynamic systems“ hätten Grenzen des Wachstums nicht prognostiziert werden können. Jay Wright Forrester begann in den 1950er-Jahren am legendären Massachussetts Institute of Technology (MIT) seine Karriere als Entwickler komplexer Computermodelle. | Foto: MIT Archives

Appelle erreichen die Einverstandenen. Bei allen anderen, so wird jeder Psychologe bestätigen, helfen sie nicht. Der Appell spricht nur die an, die kommunikativ eh über die passend sensiblen Synapsen verfügen, denn er ähnelt nun mal der Predigt. Die Rhetorik der Predigt hat ihre Berechtigung vor gefestigten Gemeinden mit anschließender kollektiver Buße oder gerechtigkeits-erregter Steinigung eines Ungläubigen. Sozialgeschichtlich müsste die Predigt als Kommunikationsform erledigt sein. Sie ist den Verwicklungen heutigen sozialen Geschehens nicht gewachsen: Auch die Alarmglocken, die sie läuten lässt, und der Nachhaltigkeits-Weihrauch, den sie verstreut, retten die politische Predigt nicht. Zunächst ein historisches Ratespiel.

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