Höchste Zeit für zwei, drei, viele und noch mehr Ökoprojekte

Die Frage, ob unser jetziges Lebens- und Wirtschaftsmodell, dessen Alltag im Wesentlichen aus dem Herstellen, Ver/Kaufen, Konsumieren und Wegwerfen von Warenansammlungen besteht, weitergeführt werden kann, wurde vor etwa 30 bis 40 Jahren aufgeworfen. Es ist bisher beim Fragen geblieben. Ein Plädoyer für viele konkrete Projekte statt endloser Debatten über Großkonzepte.

Foto: © sira
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Putins Querfront

Screenshot: Website Valdai-Club

Das eurasische Pendant zum Weltwirtschaftsforum in Davos ist das jährliche Treffen des Valdai-Clubs in Sotschi. Sieht man im Tessin den Auftritt vieler Staatschefs, ist an der Schwarzmeerküste die Bühne für eine One Man Show bereitet. Putins neulich gehaltene Rede verdient es, sehr beachtet zu werden. Es ist keine von besonderer Raffinesse zeugende Rede, im Gegenteil; sie folgt dem plumpen, von George Orwell beschriebenen, für totalitäre Systeme typischen Muster. Aus Krieg wird Friedenssicherung, aus militärischer Aggression wird Verteidigung, aus Fakten werden Lügen. So steige sein Land im Gegensatz zum Westen nicht in einen fremden Hof ein. Die Anstiftung zum Krieg in der Ukraine…die Destabilisierung der weltweiten Lebensmittel- und Energiemärkte seien vom sogenannten Westen zu verantwortende Eskalationsschritte. Es sind die immer wiederkehrenden Redefiguren, die Putins Demagogie bedeutsam machen, denn sie sollen ihn als einen antikolonialistischen Kämpfer erscheinen lassen.

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„Der Laizismus ist kein Schwert, sondern ein Schild“

Caroline Fourest (Foto: edition Tiamat)

Beginnen wir hierzulande: Noch immer gibt es eine Fülle anachronistischer Gesetze und Subventionen, etwa bei der horrenden öffentlichen Finanzierung von Kirchentagen oder der Ablösung der Staatsleistungen an die Kirchen, die Finanzierung theologischer Fakultäten an staatlichen Universitäten bis hin zu Kirchenredaktionen in deutschen Landes-Rundfunkanstalten. Daran wird sich auch in naher Zukunft wenig ändern. Zu stark ist der klerikale Lobbyismus, die Kirchenhörigkeit der Politik. Dabei gibt es einen klaren Verfassungsauftrag in Deutschland, die Komplizenschaft von Kirche und Staat zu beenden. Seit mehr als einhundert Jahren. Doch passiert ist bislang nichts.

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Die Wiederauferstehung des FJ Strauß in der FAZ

Als die FAZ den Artikel „Persönlichkeitsstörungen: So erkennt man Psychopathen“ veröffentlichte, dachte sie bestimmt nicht an ihren (Mit-)Herausgeber Berthold Kohler. Der räumt (drei Tage danach) in seinem Leitartikel „Braucht auch Deutschland die Bombe?“ zwar ein, dass man leicht für verrückt erklärt werden könne, wenn man Vorschläge wie die seinigen unterbreite. Er macht es trotzdem: Kohler hat erneut – und in bisher ungekannter Deutlichkeit – eine deutsche Atombombe gefordert. Also keine Teilhabe an einer europäischen, sondern eine ausdrücklich deutsche Nuklearstreitmacht, die auch wesentlich umfangreicher sein müsse als die force de frappe oder das britische Pendant. Denn sie müsse alle Varianten der Abschreckung bedienen können, gerade heute im Ukrainekrieg. Er argumentiert ganz im Sinne von FJ Strauß und beruft sich auch auf ihn.
Eine schnelle Reaktion verfasste der Energie-Fachmann Udo Leuschner in seiner Energiechronik. Auf Bruckstuecke wurde schon im Juni unter dem Titel „Atomare Propaganda“ darauf hingewiesen, wie begehrlich die FAZ „das Undenkbare“ denkt und dass man damit den Atomwaffensperrvertrag brechen würde. Eben das findet Kohler nun durchaus machbar; der Vertrag enthalte ja eine Austrittsoption. Auch zum 2+4 Vertrag äußert er sich „vieldeutig-unklar“, wie Leuschner feststellt. Kohler erklärt die Nachkriegsordnung von 1945f. komplett für obsolet und möchte sie durch eine Vorkriegsordnung ersetzen, in der Deutschland seinen berüchtigten „Sonderweg“ einschlägt. Der unvermeidlich folgenden Konfrontation mit Frankreich und Großbritannien ist er sich bewusst: Wer eine Formulierung „diesseits der Maginot-Linie“ wählt – statt diesseits des Rheins – befindet sich gedanklich in der Welt der deutschen Bestie, wie man es früher nannte. Oder er hat etwas zu sich genommen, was ihm nicht bekommen ist.

„Operation Meloni“ für Vaterland und Familie, gegen Arme und Geflüchtete

Das Kabinett Meloni (Unknown photographer auf wikimedia commons)

Die Partei Fratelli d’Italia (FdI) hat mit 26 Prozent der Stimmen die italienischen Wahlen im September 2022 gewonnen. Der Sieg ihrer jungen Vorsitzenden Giorgia Meloni – nun die Regierungschefin – wird als Zeichen einer Vorherrschaft der drei italienischen Rechtsparteien und als ein Hauch von Weiblichkeit, Jugend und Neuheit gefeiert. In Wirklichkeit ist das Gegenteil der Fall: Die rechte Koalition ist nach wie vor in der Minderheit, der Frauenanteil im Parlament ist geringer geworden, das Durchschnittsalter um sechs Jahre höher. Dagegen ist die senile Männermacht gewachsen und eine dreissig Jahre alte Koalition, die bereits dreimal gescheitert ist, kommt wieder an der Macht – mit Hilfe der «Operation Meloni».

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Es muss publiziert werden

Es ist ein Fundstück mit einer langen Geschichte, die erschüttert, beschämt, sprach-los macht: Nach über 60 Jahren veröffentlicht ein kleiner französischer Verlag unter dem Titel „Les chemins de l’aube“ [„Wege im Morgengrauen“] den Text des Franzosen Sylvain Vergara, der 1943 als 18jähriger in Paris verhaftet und 1944 in das Konzentrationslager Buchenwald transportiert wurde. An der Geschichte seines Überlebens schrieb der junge Franzose aus einem protestantischen Pfarrhaus in Paris über zehn Jahre, warb um eine Veröffentlichung, schrieb an Gott und die Welt, so den späteren Nobelpreisträger und Buchautor Elie Wiesel („Die Nacht“), und erhielt bis auf Wiesels ermutigenden Brief aus dem Jahr 1985 („es muss publiziert werden“) nur Absagen. Bis zu seinem Tod vor dreißig Jahren.

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Innere Kolonisierung: Misshandlung von Minderheiten als Gewohnheitsrecht  

Bild: Alina Kuptsova auf Pixabay

Kolonialismus, so ist zu lesen und zu hören, beginne mit dem Griff nach billiger, leicht auszubeutender Arbeitskraft; daraus ergäbe sich die Rechtlosigkeit der kolonisierten Menschen und aus der Ausbeutung entstünden erhoffte Profite. Tatsächlich steht am Anfang von Kolonisierung jedoch die Überzeugung, dass die Objekte der Kolonisten minderen Wertes seien.

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Scholz’ Stil: „Langes Schweigen, hervorschnappendes Bestimmen“

“Basta in Slow Motion” und “Führung aus der Deckung”: Olaf Scholz und Angela Merkel, 12. März 2018
(Foto: Sandro Halank auf wikimedia commons)

Der weithin bekannte Produzent und Lieferant von politischer Führung hat jüngst aus seiner Schublade die Basta-Richtlinie gezogen und unter anderem seinen Ministern Robert Habeck und Christian Lindner unter Verweis auf Paragraph 1 der Geschäftsordnung der Bundesregierung in Anlehnung an Artikel 65, 1 Grundgesetz geschrieben, er sei kompetent anzuordnen, dass nicht nur zwei, sondern drei Atomkraftwerke noch ein bisschen weiterlaufen sollen.
Der Rechtswissenschaftler Jannis Lennartz, Humboldt-Universität Berlin, hat diesen sehr seltenen Vorgang — Kundige wissen, zuvor habe nur Kanzler Adenauer 1956 in Sachen europäischer Integration zu diesem Instrument gegriffen — auf dem verfassungsblog akribisch-differenziert gewürdigt.

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Der DGB singt im SPD-Chor

Begleitmusik von Michael Vassiliadis
(Foto: Stefan Koch auf wikimedia commons)

Bei der Vorstellung der “Gaspreisbremse“ zeigte sich ein irritierendes Bild: Michael Vassiliadis, Chef der drittgrößten Mitgliedsorganisation im Deutschen Gewerkschaftsbund, trat als eine Art informeller Regierungssprecher vor Kameras und Mikrofone. Unter dem Motto “Sicher durch den Winter“ erläuterte der Vorsitzende der IG Bergbau-Chemie-Energie die Idee, Privathaushalten einen Monatsabschlag der Heizkostenrechnung als mageres staatliches Weihnachtsgeschenk zu erstatten. Preisbegrenzungen hingegen soll es frühestens im März oder April nächsten Jahres geben.

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Bitte nicht „ambitioniert“!

„Ambitioniert“ gehört zur unpersönlich-passiven Sprache der Bürokratie und ihres Apparates. In diesem bürokratischen Sprachgebrauch bleibt das Subjekt der „Ambition“, also des Herumgehens (als Bittsteller) unbestimmt – (bei anderen) herumgehen (um etwas zu erreichen) ist die Bedeutung des lateinischen amb-ire, von dem ambitioniert abgeleitet ist.
Und wenn unbestimmt ist, wer „herumgeht“ oder „herumgehen“ muss, um etwas zu erreichen, wer fühlt sich dann letztlich angesprochen und verantwortlich? Insofern enthält das Adjektiv „ambitioniert“ im Zusammenhang mit dem Verfolgen von Zielen etwas Fremdbestimmtes und gegenüber dem Erreichen der Ziele Distanzierendes. Wenn von „ambitionierten“ Zielen die Rede ist, kann man deshalb in „ambitioniert“ durchaus auch mithören, dass diese Ziele nicht wirklich erreicht werden sollen bzw. können. Wer dagegen intrinsisch Ziele verfolgt, wird kaum von ambitionierten Zielen sprechen, sondern stattdessen das Notwendige auf den Weg bringen, um diese Ziele zu erreichen.

Bürgergeld: Neues Label, altes Denken

Finanzkapital rechnet in Millionen, Bürgergeld in Cent (Foto: Peter-Facebook auf Pixabay)

Mit der Verkündung des Gesetzentwurfes zum Bürgergeld[1] ist die Katze aus dem Sack: Die Ampelregierung ist offenbar nach wie vor nicht gewillt, die schon seit Jahren zu Recht kritisierte Berechnung des Hartz-IV-Regelsatzes so zu korrigieren, dass dieser wirklich vor Armut schützt. Zwar soll er ab dem kommenden Jahr auf 502 Euro[2] steigen, aber dies ist nichts anderes als ein Inflationsausgleich der deutlich zu niedrig angesetzten derzeitigen 449 Euro für eine alleinstehende erwachsene Person. So ist an dieser zentralen Stelle des Sozialgesetzbuches II (SGB II), für das sich der Name „Hartz IV“ eingebürgert hat, auch 2023 nicht mit wesentlichen Verbesserungen, sondern nur mit einer Namensänderung zu rechnen.

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Wie die Krise soziale Ungleichheiten verschärft  

Foto: sira

Der Arbeitsmarkt, der Sozialstaat und das Bildungssystem sind nicht (mehr) in der Lage, die untersten Einkommensgruppen angemessen abzusichern und ihre gesellschaftliche Teilhabe zu garantieren – trotz weit verbreiteter Erwerbstätigkeit. Was ist soziale Ungleichheit und welche Bedeutung hat sie für die Entwicklung moderner Gesellschaften?

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Petra Kelly, „ein Stern am Himmel“, abgelegt „wie ein alter Waschlappen“

Screenshot: Website Petra Kelly Stiftung

Wie ein Lauffeuer verbreitet sich die Nachricht am späten Abend des 19. Oktober 1992 in Bonn. Als die Mordkommission, 43 Minuten nach dem Eingang eines Notrufs um 22.10 Uhr in der Swinemünder Straße im Stadtteil Tannenbusch eintrifft, belagern schon Reporter und Kamerateams das kleine Reihenhaus. Gefunden worden waren zwei Leichen, umgekommen schon Wochen zuvor, ohne dass diese Menschen vermisst worden wären.

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„Der Markt hat bei der Kreditvergabe klar versagt“

Bild: Skitterphoto auf Pixabay

„Das Geldwesen ist ein zentraler Ort, an dem Macht ausgeübt wird […] Ein Kreditsystem, das auf Profit basiert, wird immer nur den Leuten Kredit gewähren, die keinen brauchen. Und die Leute, die Kredit brauchen, haben gerade keinen Zugang […] Das wird noch offensichtlicher, wenn wir uns die Herausforderungen der Klimakrise und des Energiewandels vor Augen halten. Diese Lücke zwischen dem, was wir als Gesellschaft erreichen wollen und wo also Kredit hinfließen sollte, und dem, was aus Sicht der Banken am profitabelsten ist, wird immer größer.“ Ein Gespräch über die politische Ideengeschichte des Geldes und was Linke für heutige Kämpfe aus ihr lernen können.

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Alle Bürger mögen ihren Gott, auch ihre Götter haben, aber…

Nina Hagen auf dem 33. Deutschen Evangelischen Kirchentag in Dresden, Juni 2011 (Foto: Christliches Medienmagazin pro auf wikimedia commons)

In Berlin, dem noch letzten konkordat-freien deutschen Bundesland, steht der Abschluss eines neuen Staatsvertrags mit dem »Heiligen Stuhl« kurz vor seinem Abschluss. Die Idee der Staatsverträge zwischen Kirchen und Nationalstaaten oder einzelner Gliederungen davon stammt noch aus einer Zeit, in der Kirche und Staat gemeinhin als eine Einheit betrachtet wurden. Kaiser und König galten als »Herrscher von Gottes Gnaden«. Solche historischen Überbleibsel haben auch heute noch Gültigkeit und erlauben es den Kirchen, weltliche Gesetze in ihren Einrichtungen – wie etwa jenes zum Arbeits- und Streikrecht – nicht vollumfänglich umzusetzen. Religiöse Gemeinschaften berufen sich hier gerne auf »kirchliches Selbstbestimmungsrecht«. Allerlei Privilegien wie zum Beispiel jene zu Vermögensangelegenheiten sind häufig noch einmal gesondert festgehalten. Das Verfassungsgebot, das eine Trennung von Kirche und Staat verlangt, wird jetzt auch von der rot-grünen Landesregierung ignoriert.

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