Ukraine, NATO, Neutralität oder Irrungen und Wirrungen des Klaus von Dohnanyi

Mittwoch, 11. Mai 2022. Maischberger: Ein Zwiegespräch der Gastgeberin mit Klaus von Dohnanyi. Den Hamburger Grandseigneur der deutschen Sozialdemokratie sorgt eine mögliche Ausweitung des Kriegs in der Ukraine. Zwar verurteilt er den russischen Angriff, doch „die Sünde“ des Westens sei es, nicht über den angestrebten NATO-Beitritt der Ukraine verhandelt zu haben — natürlich mit der Bereitschaft, ihn zu verhindern — denn dies sei „das Einzige, was Putin interessiert“. Dohnanyi präsentierte auch sogenannte alternative Fakten. Allein deshalb lohnt ein kritischer Blick auf die Thesen und argumentativen Linien, die der renommierte Sozialdemokrat an diesem Abend ausführlich vertrat. [Der Beitrag knüpft an das Bruch-Stück an „Sachdienliche Hinweise willkommen„.]

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„Es wird für uns schwer sein, weiter zu leben“  

Bewohner von Mariupol im Hof eines durch Beschuss zerstörten Gebäudes, 25. März 2022 (Foto: Alexander Ermochenko/ Reuters/ Forum auf wikimedia commons)

Wir versuchen wieder ein normales Leben zu führen. Ab und zu gibt es noch Alarm. Der Krieg geht ja weiter. Aber hier in Kyjiw und anderen Teilen des Landes ist jetzt ziemlich ruhig. Unsere Armee und unser Kampf haben Erfolg. Ich glaube, dass wir den Krieg bis zum Herbst mit einem Sieg beenden werden. Ich hoffe natürlich früher. Dann wäre ich sehr glücklich.

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Sage mir, wie du dich informierst, und ich sage dir, wie du denkst

300 Fox News-Konsumenten schauten für einen Versuch einen Monat lang CNN – mit deutlichem Effekt. Welches Medium jemand konsumiert, beeinflusst die Meinung dieser Person – und das schon nach erstaunlich kurzer Zeit. Das ist das Ergebnis einer Studie, die zwei Politikwissenschaftler aus Kalifornien durchgeführt haben.

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„Arbeiterklasse“ – der rote Mythos  

Mit der „Arbeiterklasse“ hat „die Linke“ einen Mythos geschaffen, der sie bis heute daran hindert, sich von unserer Gesellschaft ein realistisches Bild zu machen. Außerhalb linker Kommunikation hat „die Arbeiterklasse“ als Akteur nie existiert, als nationaler nicht und als internationaler schon gar nicht. Der groß angekündigte Hauptdarsteller hat die Bühne nie betreten. Sich Trost zu spenden und Illusionen zu machen, dass die große, wenn schon nicht revolutionäre, so doch solidarische Aktion noch kommen wird, ist die linke Lieblingsbeschäftigung; plus die Suche nach Schuldigen dafür, dass die ausbleibt.
Die moderne Gesellschaft funktioniert sozial zutiefst ungerecht und ökologisch katastrophal verantwortungslos, aber eine Klassengesellschaft ist sie nicht. Keinem Arbeiter ist es verboten, kein Arbeiter zu sein. Der Integrationsmodus der Moderne ist nicht die Klasse, sondern die Karriere, der Personen ebenso wie der Organisationen, die gelingende ebenso wie die scheiternde. Karrieren sind ungerecht, weil sie unter ungleichen Voraussetzungen starten und eine sich selbst verstärkende Mechanik haben: Auf dem Weg noch oben verbessern sich die Aussichten, höher zu steigen, auf dem Weg nach unten wächst die Gefahr, tiefer zu sinken. Karrieren fördern Verantwortungslosigkeit, weil jede Person und jede Organisation zuerst die eigene durchzusetzen versucht ohne Rücksicht auf die Folgen für alle(s) andere(n). Die Ideologie sagt, alle hätten ihre Karriere selbst in der Hand, in der Realität entscheiden zu neunzig Prozent andere darüber.

„Krise kann auch geil sein“

Intromusik: terrasound.de

Der kleine Fisch Fynn Kliemann hängt am Haken, ein Einzelfall wird skandalisiert, aber die Sache selbst geht in großem Stil weiter. Wir haben ein Grundsatzproblem, für das Green-, Blue-, Pink-, Redwashing Scheinlösungen sind. Mehr dazu gibt’s zum Beispiel bei fairlier und bei greenpeace – und in diesem Podcast.

Geschrieben und gesprochen von Joe Kerr

Weitere Folgen von ‚Auch das noch!‚ zum Hören gibt es hier, wer nachlesen möchte, findet hier einen monatlichen Rückblick.

Sachdienliche Hinweise willkommen  

Vice President Joe Biden greets Russian Prime Minister Vladimir Putin at the Russian White House, in Moscow, Russia, March 10, 2011. (Official White House Photo by David Lienemann), wikimedia commons

Es gibt endlos lange Debatten über die Fragen, wie es zum Ukraine-Krieg kam, wie er beendet und wie zwischendrin der Ukraine geholfen werden kann und muss. Dabei stehen sich zwei Erzählungen gegenüber: Russland ist der Aggressor mit einer nationalistisch-großrussischen Vision. Russland ist das Opfer, weil es von den USA, Nato und der EU in strategischer Absicht eingekreist worden ist. Auf Bruchstuecke haben wir beide Narrative präsentiert, es gibt sie noch in zahlreichen Schattierungen. In Präsentation und Austausch dieser Positionen und Meinungen werden von Tages- und Wochenmedien und den Öffentlich-Rechtlichen enorme journalistische Ressourcen investiert. Aber weiß jemand, was Sache ist: wer verhandelt gerade mit wem über was?

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Wunschdenken plus Egoismus plus Antiamerikanismus?  

Mitte April ließ der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj verlauten, der deutsche Bundespräsident sei in Kyiw nicht willkommen, man möge bitte den Bundeskanzler schicken. Offenbar wird Frank-Walter Steinmeier als Gesicht einer deutschen Ostpolitik gesehen, die den Überfall Russlands auf die Ukraine erst möglich gemacht hat. Das politische Berlin zeigte sich düpiert, vor allem die SPD, für die Steinmeier als Vordenker und Organisator in Kanzleramt und Auswärtigem Amt gedient hatte. Doch der Normalfall der letzten Jahrzehnte war umgekehrt: Regelmäßig ignorierte Deutschland die Befindlichkeiten seiner osteuropäischen Partner.

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Wer schützt Brandts Ostpolitik vor der SPD?  

Bild: wikimedia commons

Die deutsche Sozialdemokratie muss dazu geprügelt werden, sich mit ihrer deutschlandschädlichen Russlandpolitik der letzten zwei bis drei Jahrzehnte zu beschäftigen. Und wenn sich ihre jetzigen und früheren Spitzenleute — Olaf Scholz, Frank-Walter Steinmeier, Manuela Schwesig, Sigmar Gabriel und Gerhard Schröder — heute äußern, dann vor allem um eine durchgezogene Linie von Willy Brandt bis heute, von 1969 bis 2022, zu ziehen. Ihre Devise: Was damals erfolgreich war, ist heute nicht falsch. Und: Willy wurde damals für seine Ostpolitik geprügelt, wir heute auch. Die These: Die Ost- und Entspannungspolitik von Brandt und Bahr hat mit den Russland-Geschäften der SPD der letzten 20 Jahre so gut wie nichts zu tun. Brandts Ost- und Scholz+Schwesig+Steinmeier+Gabriel+Schröders Russlandpolitik müssen mit einer politischen Firewall getrennt bleiben.

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Der Krieg in der Ukraine – Sabotage am Mensch-Planetensystem  

© World Future Council

Der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine ist eine Katastrophe für viele Menschen in der Ukraine und – was jetzt schon abzusehen ist – er wird zu einer Katastrophe für viele Menschen in der Welt. Dieser Krieg findet statt im siebten Jahr der im September 2015 beschlossenen Resolution der Vereinten Nationen: „Transformation unserer Welt: die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung“. Diese Agenda beschreibt globale Missstände und Fehlentwicklungen, deren Fortdauer in kurzer Frist den Fortbestand des Mensch-Planeten-Systems insgesamt in Frage stellt.

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Ein Diplomat als Superstar der Meinungsfreiheit

Intromusik: terrasound.de

Je unübersichtlicher die Lage, desto lauter die Ansprüche, recht zu haben: Wenn man keine Ahnung hat, einfach mal das Maul aufreißen. Das politisch-kulturelle Klima kippt insgesamt Richtung Erregung, Beschimpfung und Verteufelung. Empörung braucht Rudelbildung. Der erste Blick gilt der Frage, wer ist für mich, wer ist gegen mich und dann fallen die Rudel übereinander her.

Geschrieben und gesprochen von Joe Kerr

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„Eigenverantwortung“ – eine neoliberale Idiotie  

Verantwortung beinhaltet die Verpflichtung, Antwort zu geben. Was soll „Eigenverantwortung“ sein im Unterschied zur Verantwortung? Beim Maskentragen zeigt es sich an den Gesichtern. Wer die Schutzmaske trägt, wo man sie tragen sollte, handelt verantwortlich, wer dort keine Maske trägt, „eigenverantwortlich“. Der Wortbestandteil eigen– (das entspricht dem Griechischen idi-o-) idiotisiert die Verantwortung und macht sie zur Privatsache. Wer für sich „Eigenverantwortung“ beansprucht, will keine Antwort geben und verabschiedet sich aus dem sozialen Bezug. Eine Gesellschaft, die „Eigenverantwortung“ nahelegt oder zuteilt, sagt allen, sie mögen selbst schauen, wo sie bleiben. „Eigenverantwortung“ steht damit auch als „Wert“ im politischen Diskurs in fundamentalem Gegensatz zur Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung, die das zentrale Versprechen enthält, auf dem Weg der Transformation niemanden zurückzulassen. „Eigenverantwortung“ ist ein neoliberales Unwort, im besseren Fall gedankenlos, im schlechteren Fall verantwortungslos. Gesellschaftlich ist „Eigenverantwortung“ zerstörerisch, persönlich führt sie letztlich in Idiotie und Wahn.

Eskalationsspirale hin zum europäischen Flächenbrand?  

Bild: Tumisu auf Pixabay

In der letzten Woche ist die Ukrainedebatte endgültig in den heißglühenden Overdrive gekippt. Nach der Veröffentlichung des unterstützenden Artikels von Habermas und dem offenen Brief deutscher Intellektueller kennen die Freiheitskämpfer kein Halten mehr. Aus allen Rohren werden die „Unterwerfungspazifisten“ beschossen, diskreditiert, gecancelt. Auf Brief folgt Gegenbrief, gut so, wäre der Stil der Debatte ein anderer.

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„Putinversteher“ – ein Wort der Gegenaufklärung  

Etwas und Jemanden verstehen zu können und verstehen zu wollen, ist eine Grundhaltung der Aufklärung. Im Begriff „Putinversteher“ wird das Verstehen verächtlich gemacht.
Wer aber das Verstehen verächtlich macht, versteht das Verstehen nicht. Diese Unaufgeklärtheit wird auch nicht entschuldigt oder gerechtfertigt durch den brutalen Zivilisationsbruch des russischen Angriffskrieges. Wer in der Diskussion über den Ukrainekonflikt diejenigen, die nicht der eigenen – gelegentlich obsessiven – Befindlichkeit das Wort reden, herabsetzend als „Putinversteher“ bezeichnet, kehrt selbst einer zivilisatorischen Errungenschaft den Rücken. Grundsätzlich steckt hinter dem Sprachgebrauch „Putinversteher“ kein kluger Kopf, sondern ein unaufgeklärtes bzw. die Aufklärung herabsetzendes Denken.

„Wir können den Krieg nicht beenden, das kann nur Russland“  

3. Mai 2022. In der jetzigen Phase arbeite ich sehr viel. Ich bin den ganzen Tag im Ministerium und sitze meist abends noch bis spät vor dem Computer. Bis zum Krieg war es für mich und meinen Mann, der im Umweltministerium Staatssekretär ist, mit unserer Tochter ok. Aber nun sind wir in einer neuen Realität. Mein Ministerium ist dafür verantwortlich, alle Ukrainer mit Häusern und Wohnungen zu versorgen. Das ist im Moment extrem schwierig. Wir haben Gebiete, die besetzt sind. In anderen wird gekämpft, manche sind schon befreit.

Foto: WiR_Pixs auf Pixabay
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Medienpolitik ist Demokratiepolitik – ein Praxisbeispiel  

Kurt Günther, Der Radionist (Kleinbürger am Radio), 1927. Neue Nationalgalerie Berlin (Foto: Fabian Arlt)

Kürzlich in einer medienpolitischen Fachkonferenz – alle sind sich einig: Blöd, dass sich die „normalen Menschen“ nicht für Medienpolitik interessieren. Dabei sei sie so wichtig, Medienpolitik ist Demokratiepolitik! Absolut richtig, nur in einer informierten Öffentlichkeit können Erkenntnisse gewonnen, Meinungen abgewogen und eigene Standorte gefunden werden. Alles Voraussetzungen für die Mitwirkung in einer funktionierenden Demokratie. Es ist davon auszugehen, dass diese Zusammenhänge auch den Menschen vertraut sind, die in der Rundfunkkommission der Länder sitzen. Warum lassen sie dann gerade ein zartes Pflänzchen Interesse der „normalen Menschen“ an Medienpolitik jämmerlich verdursten?

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