„Krise kann auch geil sein“

Intromusik: terrasound.de

Der kleine Fisch Fynn Kliemann hängt am Haken, ein Einzelfall wird skandalisiert, aber die Sache selbst geht in großem Stil weiter. Wir haben ein Grundsatzproblem, für das Green-, Blue-, Pink-, Redwashing Scheinlösungen sind. Mehr dazu gibt’s zum Beispiel bei fairlier und bei greenpeace – und in diesem Podcast.

Geschrieben und gesprochen von Joe Kerr

Weitere Folgen von ‚Auch das noch!‚ zum Hören gibt es hier, wer nachlesen möchte, findet hier einen monatlichen Rückblick.

Sachdienliche Hinweise willkommen  

Vice President Joe Biden greets Russian Prime Minister Vladimir Putin at the Russian White House, in Moscow, Russia, March 10, 2011. (Official White House Photo by David Lienemann), wikimedia commons

Es gibt endlos lange Debatten über die Fragen, wie es zum Ukraine-Krieg kam, wie er beendet und wie zwischendrin der Ukraine geholfen werden kann und muss. Dabei stehen sich zwei Erzählungen gegenüber: Russland ist der Aggressor mit einer nationalistisch-großrussischen Vision. Russland ist das Opfer, weil es von den USA, Nato und der EU in strategischer Absicht eingekreist worden ist. Auf Bruchstuecke haben wir beide Narrative präsentiert, es gibt sie noch in zahlreichen Schattierungen. In Präsentation und Austausch dieser Positionen und Meinungen werden von Tages- und Wochenmedien und den Öffentlich-Rechtlichen enorme journalistische Ressourcen investiert. Aber weiß jemand, was Sache ist: wer verhandelt gerade mit wem über was?

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Wunschdenken plus Egoismus plus Antiamerikanismus?  

Mitte April ließ der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj verlauten, der deutsche Bundespräsident sei in Kyiw nicht willkommen, man möge bitte den Bundeskanzler schicken. Offenbar wird Frank-Walter Steinmeier als Gesicht einer deutschen Ostpolitik gesehen, die den Überfall Russlands auf die Ukraine erst möglich gemacht hat. Das politische Berlin zeigte sich düpiert, vor allem die SPD, für die Steinmeier als Vordenker und Organisator in Kanzleramt und Auswärtigem Amt gedient hatte. Doch der Normalfall der letzten Jahrzehnte war umgekehrt: Regelmäßig ignorierte Deutschland die Befindlichkeiten seiner osteuropäischen Partner.

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Wer schützt Brandts Ostpolitik vor der SPD?  

Bild: wikimedia commons

Die deutsche Sozialdemokratie muss dazu geprügelt werden, sich mit ihrer deutschlandschädlichen Russlandpolitik der letzten zwei bis drei Jahrzehnte zu beschäftigen. Und wenn sich ihre jetzigen und früheren Spitzenleute — Olaf Scholz, Frank-Walter Steinmeier, Manuela Schwesig, Sigmar Gabriel und Gerhard Schröder — heute äußern, dann vor allem um eine durchgezogene Linie von Willy Brandt bis heute, von 1969 bis 2022, zu ziehen. Ihre Devise: Was damals erfolgreich war, ist heute nicht falsch. Und: Willy wurde damals für seine Ostpolitik geprügelt, wir heute auch. Die These: Die Ost- und Entspannungspolitik von Brandt und Bahr hat mit den Russland-Geschäften der SPD der letzten 20 Jahre so gut wie nichts zu tun. Brandts Ost- und Scholz+Schwesig+Steinmeier+Gabriel+Schröders Russlandpolitik müssen mit einer politischen Firewall getrennt bleiben.

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Der Krieg in der Ukraine – Sabotage am Mensch-Planetensystem  

© World Future Council

Der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine ist eine Katastrophe für viele Menschen in der Ukraine und – was jetzt schon abzusehen ist – er wird zu einer Katastrophe für viele Menschen in der Welt. Dieser Krieg findet statt im siebten Jahr der im September 2015 beschlossenen Resolution der Vereinten Nationen: „Transformation unserer Welt: die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung“. Diese Agenda beschreibt globale Missstände und Fehlentwicklungen, deren Fortdauer in kurzer Frist den Fortbestand des Mensch-Planeten-Systems insgesamt in Frage stellt.

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Ein Diplomat als Superstar der Meinungsfreiheit

Intromusik: terrasound.de

Je unübersichtlicher die Lage, desto lauter die Ansprüche, recht zu haben: Wenn man keine Ahnung hat, einfach mal das Maul aufreißen. Das politisch-kulturelle Klima kippt insgesamt Richtung Erregung, Beschimpfung und Verteufelung. Empörung braucht Rudelbildung. Der erste Blick gilt der Frage, wer ist für mich, wer ist gegen mich und dann fallen die Rudel übereinander her.

Geschrieben und gesprochen von Joe Kerr

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„Eigenverantwortung“ – eine neoliberale Idiotie  

Verantwortung beinhaltet die Verpflichtung, Antwort zu geben. Was soll „Eigenverantwortung“ sein im Unterschied zur Verantwortung? Beim Maskentragen zeigt es sich an den Gesichtern. Wer die Schutzmaske trägt, wo man sie tragen sollte, handelt verantwortlich, wer dort keine Maske trägt, „eigenverantwortlich“. Der Wortbestandteil eigen– (das entspricht dem Griechischen idi-o-) idiotisiert die Verantwortung und macht sie zur Privatsache. Wer für sich „Eigenverantwortung“ beansprucht, will keine Antwort geben und verabschiedet sich aus dem sozialen Bezug. Eine Gesellschaft, die „Eigenverantwortung“ nahelegt oder zuteilt, sagt allen, sie mögen selbst schauen, wo sie bleiben. „Eigenverantwortung“ steht damit auch als „Wert“ im politischen Diskurs in fundamentalem Gegensatz zur Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung, die das zentrale Versprechen enthält, auf dem Weg der Transformation niemanden zurückzulassen. „Eigenverantwortung“ ist ein neoliberales Unwort, im besseren Fall gedankenlos, im schlechteren Fall verantwortungslos. Gesellschaftlich ist „Eigenverantwortung“ zerstörerisch, persönlich führt sie letztlich in Idiotie und Wahn.

Eskalationsspirale hin zum europäischen Flächenbrand?  

Bild: Tumisu auf Pixabay

In der letzten Woche ist die Ukrainedebatte endgültig in den heißglühenden Overdrive gekippt. Nach der Veröffentlichung des unterstützenden Artikels von Habermas und dem offenen Brief deutscher Intellektueller kennen die Freiheitskämpfer kein Halten mehr. Aus allen Rohren werden die „Unterwerfungspazifisten“ beschossen, diskreditiert, gecancelt. Auf Brief folgt Gegenbrief, gut so, wäre der Stil der Debatte ein anderer.

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„Putinversteher“ – ein Wort der Gegenaufklärung  

Etwas und Jemanden verstehen zu können und verstehen zu wollen, ist eine Grundhaltung der Aufklärung. Im Begriff „Putinversteher“ wird das Verstehen verächtlich gemacht.
Wer aber das Verstehen verächtlich macht, versteht das Verstehen nicht. Diese Unaufgeklärtheit wird auch nicht entschuldigt oder gerechtfertigt durch den brutalen Zivilisationsbruch des russischen Angriffskrieges. Wer in der Diskussion über den Ukrainekonflikt diejenigen, die nicht der eigenen – gelegentlich obsessiven – Befindlichkeit das Wort reden, herabsetzend als „Putinversteher“ bezeichnet, kehrt selbst einer zivilisatorischen Errungenschaft den Rücken. Grundsätzlich steckt hinter dem Sprachgebrauch „Putinversteher“ kein kluger Kopf, sondern ein unaufgeklärtes bzw. die Aufklärung herabsetzendes Denken.

„Wir können den Krieg nicht beenden, das kann nur Russland“  

3. Mai 2022. In der jetzigen Phase arbeite ich sehr viel. Ich bin den ganzen Tag im Ministerium und sitze meist abends noch bis spät vor dem Computer. Bis zum Krieg war es für mich und meinen Mann, der im Umweltministerium Staatssekretär ist, mit unserer Tochter ok. Aber nun sind wir in einer neuen Realität. Mein Ministerium ist dafür verantwortlich, alle Ukrainer mit Häusern und Wohnungen zu versorgen. Das ist im Moment extrem schwierig. Wir haben Gebiete, die besetzt sind. In anderen wird gekämpft, manche sind schon befreit.

Foto: WiR_Pixs auf Pixabay
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Medienpolitik ist Demokratiepolitik – ein Praxisbeispiel  

Kurt Günther, Der Radionist (Kleinbürger am Radio), 1927. Neue Nationalgalerie Berlin (Foto: Fabian Arlt)

Kürzlich in einer medienpolitischen Fachkonferenz – alle sind sich einig: Blöd, dass sich die „normalen Menschen“ nicht für Medienpolitik interessieren. Dabei sei sie so wichtig, Medienpolitik ist Demokratiepolitik! Absolut richtig, nur in einer informierten Öffentlichkeit können Erkenntnisse gewonnen, Meinungen abgewogen und eigene Standorte gefunden werden. Alles Voraussetzungen für die Mitwirkung in einer funktionierenden Demokratie. Es ist davon auszugehen, dass diese Zusammenhänge auch den Menschen vertraut sind, die in der Rundfunkkommission der Länder sitzen. Warum lassen sie dann gerade ein zartes Pflänzchen Interesse der „normalen Menschen“ an Medienpolitik jämmerlich verdursten?

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„Sich neu erfinden“ in Geschichte und Gegenwart  

Michelangelo Merisi de Caravaggio: Das Haupt der Medusa
(Bild: wikimedia coommons)

Eine Kostprobe. Allein im Jahr 2020 haben sich neu erfunden: die Sängerin Miley Cyrus, das Musikfamilienunternehmen Kelly Family, die Automarken Opel und Landrover Defender, das Deutsche Museum Bonn und die Musikschule Höxter, die 1. Mannschaft von Blau-Weiss Hohen Neuendorf. Außerdem ein paar Ministerpräsidenten (Haseloff, Woidke, Söder).1 Der rasante Kursanstieg der Erneuerungsfloskel paart sich mit Selbstoptimierungseifer, hat aber viel zu tun mit existentiellen Zweifeln und Krisen.

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Geliebt, gehasst, gebraucht

Intromusik: terrasound.de

Guten Tag, mein Name ist Arbeit. Es gibt mich als bezahlte und als unbezahlte; für die unbezahlte hat Gott aus Adams Rippe Eva geschaffen. Das Attraktive an mir ist, dass ich zwei Seiten habe, nämlich die Leistung und den Konsum. Das scheint zugleich mein Verhängnis zu sein. Schon immer haben Leute mit Gewalt und mit ideologischen Tricks anderen die Leistungen aufgezwungen und selbst den Konsum beansprucht. Keine Revolution hat daran bisher etwas geändert.

Geschrieben und gesprochen von Joe Kerr

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„Nachhaltigkeit“ von Putins Gnaden  

Screenshot: Rosatom

Mehrere Sanktionspakete der Europäischen Union, der USA und Großbritanniens haben Russland bisher nicht beeindrucken können. Klar ist, dass Maßnahmen gegen Energieexporte das Land weit empfindlicher treffen würden als alles, was bisher beschlossen worden ist. Können Öl- und Kohleeinfuhren kurzfristig beendet werden? Lässt sich die Abhängigkeit von russischem Gas nicht schneller reduzieren, als Regierungen und Großkonzerne behaupten? Diese Fragen werden intensiv diskutiert. Bemerkenswert wenig Aufmerksamkeit findet dagegen das Nukleargeschäft. Dabei ist es alles andere als unbedeutend, zumal die Atomlobby unablässig eine Renaissance für ihre Branche fordert. Vor allem osteuropäische EU-Staaten sind für den Betrieb ihrer Nuklearanlagen von Lieferungen aus Russland abhängig. Für diese gibt es sogar Ausnahmen von den Sanktionen.

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„Warum hilft uns Deutschland nicht zu 100 Prozent?“

27.4.2022. In Kyjiw ist jetzt Frühling, die Bäume und Blumen blühen. Ein schönes Gefühl. Als ich gestern von meinem Büro mit Kollegen nach Hause ging, regnete es. Wir sahen einen Regenbogen. Den ersten für mich in diesem Jahr. Ein Hoffnungszeichen in diesen Tagen. Manchmal gibt es noch Raketenalarm. In anderen Teilen des Landes fallen weiter russische Bomben, aber bei uns ist es ruhig. Eine alte Kollegin, die in die Westukraine geflohen war und nun zurückgekehrt ist, reagierte ganz aufgeregt auf die Sirenen und fragte uns, ob wir nicht in den Keller gehen müssten.

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bruchstücke