Ping-Pong der Extreme in der Pandemie

Dieser Text ist nur für diejenigen interessant, die die sogenannten Hygiene-Demos als Problem und Gefahr sehen; die es für möglich halten, dass sich eine Massenbewegung entwickelt, weit über Verschwörungsprediger und Rechtsextreme hinaus. Meine Annahme: Bei gesellschaftlichen Polarisierungen wie jetzt in der Corona-Krise findet ein Ping-Pong zwischen den Extrempositionenen statt: Nicht nur Sachaussagen und Forderungen schaukeln sich gegenseitig hoch, es potenziert sich auch die Empörung über unausgesprochene Haltungen der Gegenseite, die ich als Aura von Positionen bezeichne. Denn um Sachaussagen herum baut sich eine atmosphärische Aura auf, die politisch wirksam wird. Wer eine „Hygiene-Rebellion“ verhindern will, muss positive Perspektiven bieten.

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Ein Prachtstück politischer Aufklärung

Bild: Gerd Altmann auf Pixabay

Politische Führung im selbstgerecht-fanatischen Freund-Feind-Modus macht aus Krisen Katastrophen. Wer es nicht gesehen hat, sollte sich 43 Minuten Zeit nehmen und es mit Hilfe der ZDF-Mediathek nachholen: „Der Unverantwortliche. Trump und die Corona-Krise“. ZDF-Korrespondent Elmar Theveßen hat interne Dokumente aus dem Beraterstab des US-Präsidenten ausgewertet, lässt Experten zu Wort kommen, zeichnet Stellungnahmen und Handlungsweisen des US-Präsidenten nach vom Ausbruch der Pandemie in China im November 2019 bis in die jüngsten Tage (Ende Mai 2020).

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Sind Virenzeiten Roboter-Zeiten?

Bild: Gerd Altmann auf Pixabay

Wenn in diesen Monaten das Virus (sogar) Deutschland in die Digitalisierung treibt, dann geht es um mehr als um E-Learning an Schulen und Hochschulen oder Video-Beratungen anstelle von Geschäftsreisen. Die Wirtschaftswissenschaftlerin Dalia Marin, Technische Universität München, stärkt seit Wochen die These, die deutsche Industrie werde auch Teile ihrer Produktion in die Heimat zurückholen, sei doch „die Ära der Hyperglobalisierung … beendet.“ Auch wenn heute und morgen die Fertigung in fernen Niedriglohnländern sich noch rechne, so Marin, den Unternehmen werde bewusst, die Risiken seien zu hoch, wisse doch jede und jeder, Covid-19 sei nicht die letzte Pandemie gewesen. Deshalb liege nahe: Produktion zurückholen, Roboter einstellen; die jammern nicht, organisieren sich nicht, werden nie krank, brauchen weder Virenschutz noch Pause, Schlaf, Urlaub, Lohn oder Sozialversicherung.

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Wenn der Rechner die Preise ändert

Digitale Preisschilder machen es leicht, die Preise zu ändern. Bei diesen Etiketten fällt es den wenigsten auf, wenn sich im Handumdrehen der Preis ändert. (Foto: pricer)

Corona-Zeit ist Gartenzeit. Ich brauchte wegen wuchernden Wachstums zweier Kirschlorbeerbäume irgendetwas Teleskopartiges mit Schneidefunktion. Es gibt, so wusste ich, Akku-Heckenscheren mit einer Art Besenstielverlängerung. Das passende Gerät war im Netz schnell gefunden. 74 Euro ohne Akku. Aber da ich bereits eine Kompaktkettensäge auf Basis des gleichen modularen Akkusystems hatte, kein Problem. Ich war natürlich bei Amazon. Besann mich dann aber und recherchierte bei zwei nahegelegenen Baumärkten – was ohne deren Online-Auftritt nicht möglich gewesen wäre. Beim einen war das Ding ausverkauft, beim anderen nicht im Sortiment. Also wollte ich die Sünde der Bestellung bei Jeff Bezos begehen. Drei Stunden nach der Erstsichtung klickte ich das Gerät nochmals an. 99 Euro. Statt zuvor 74 Euro. Eine Preissteigerung von 33,8 Prozent in drei Stunden. War gerade die Fabrik des Herstellers explodiert? Nichts dergleichen. Es war ein handfestes Beispiel für KI-gesteuerte Preis-Volatilität unter volldigitalen Bedingungen.

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Die ‚besten‘ Quellen entdecken

“Discover the best sources for any topic” – Screenshot des Feedly-Readers

Eine kleine Beobachtung aus den sozialen Medien: Wenn man den sehr guten RSS-Reader Feedly installiert, hat man die Möglichkeit, sich die RSS-Feeds von Nachrichtenangeboten oder Blogs zu bestimmten Themenkreisen empfehlen zu lassen. Diese sind standardmäßig nach dem sogenannten Feedly-Score sortiert, der nicht nur die Reichweite innerhalb des Feedly-Systems, sondern auch die thematische Fokussierung und das Engagement der Nutzer abbildet, um so eine Art Index für Relevanz und Einfluss zu generieren. Das Resultat sollte uns zu denken geben.

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Das Conspi-Virus. Kleiner Ratgeber zum Umgang mit dem Verschwörungs-Syndrom

Was regnet da auf uns nieder? Kondenstreifen sind beliebtes Spekulationsobjekt für Verschwörungs-Infizierte. (Foto: iStock / Wikimedia / Montage: Wüllner)

Der kleine Ratgeber bietet Antworten auf folgende Fragen: Wie funktioniert ein Verschwörungs-Infekt? Was hilft bei der Verbreitung des Conspi-Virus? Kann man Verschwörungsinfektionen eindämmen? Kann man Verschwörungsspekulationen voraussehen? Warum sind Prominente empfänglich für das Conspi-Virus? Können Verschwörungsspekulanten zum Star werden? Wie verführen Conspis andere Menschen? Warum ist das Impfen so ein beliebtes Verschwörungsthema? Sind Conspis ein politisches Problem? Sind Rechte Conspi-gefährdeter als Linke? Sind kirchliche Würdenträger verschwörungsanfälliger? Welche Conspis sind die Gefährlichsten? Gehört Putin zu den Conspis unter den Mächtigen? Hilft mehr Aufklärung gegen Conspi-Infektionen?

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Der feine Unterschied: Firmen helfen, nicht deren Eigentümern

Bild: QuinceCreative auf Pixabay

Wie sehen sich Unternehmer, Manager und Banker? Im Prinzip für klasse: innovativ, intelligent, effektiv, mutig — und in Politikern sehen sie im Prinzip ihr Gegenteil. Allerdings: Kommt eine veritable Krise, dann sind sie nur Opfer, tragen nie Mit-Schuld, klagen: Krise, Krise … und halten die Hand auf — beim gerade noch denunzierten Staat. Dieses Mal soll es um bis zu 1,9 Billionen Euro gehen, veranschlagte jüngst die Deutsche Bank; ob Bürgschaften, Kredite oder Zuschüsse. Fünf Mal der Bundeshaushalt 2019. Welche Kredite verloren gehen, welche Bürgschaften fällig werden, das ist alles offen. Weil es um so viel Geld geht, deshalb sollte von Anfang an nur genau dosiert geholfen werden. Moritz Schularick, Wirtschaftswissenschaftler an der Universität Bonn, weist deshalb auf diesen feinen, aber entscheidenden Unterschied hin: Den Unternehmen solle geholfen werden, auf keinen Fall deren Eigentümern und Managern.  

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“Nach der Entwarnung ging der Film weiter”

(Bild: Wikimedia Commons / Bundesarchiv)

Wofür sind die öffentlich-rechtlichen Medien gut? arte zeigt es mit dem großartigen Zweiteiler “Berlin 1945 – Tagebuch einer Großstadt” zum Jahrestag der Befreiung Deutschlands am 08. Mai 1945, der noch bis zum 2. August 2020 in der arte-Mediathek zum Abruf bereit steht.

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Klaus von Beyme: Die SPD ist zu sehr in der Mitte der Merkel-Treuen

Klaus von Beyme, Nestor der deutschen Politikwissenschaft mit hoher internationaler Reputation, würde dem SPD-Politiker Karl Lauterbach einen Oskar für auffällig kluges Handeln in der Corona-Krise verleihen. Gegenüber dem Team-Blog bruchstuecke.info äußerte sich von Beyme auch zur Lage der SPD mit den Worten: „Die SPD ist zu sehr in die Mitte der Merkel-Treuen gerückt. Sie hat seit 1990 zu häufig den Vorsitz gewechselt und zur Zeit keinen überzeugenden Vorstand.“

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Panikblödheit oder Wir sind zwar dumm, aber klug genug zu lernen

Gerd Altmann auf Pixabay

Seit Monaten höre ich zwei verschwisterte Klagen. Die eine: Deutschland sei ein Flickenteppich. Die andere: Europa sei ein Flickenteppich. Beklagt wird gleichermaßen, dass es zu wenig einheitliche, abgestimmte, synchronisierte, am besten aber: irgendwo „von oben“ durchgreifende Maßnahmen gibt, um das allwaltende mikrobielle Böse in seine Schranken zu weisen. Deutschland ist den Klagen nach ein föderalistischer Flickenteppich. Europa ein Flickenteppich der irgendwie eigensinnigen bis national-egoistischen Staaten. Durchgreif-Staaten wie China hingegen werden gelobt, aber zugleich verdächtigt, zu vertuschen, zu verschleiern, zu unterdrücken, was das Durchgreif-Lob dennoch nicht entkräftet. Es wird vielleicht geahnt, dass das harte Durchgreifen sich nur durch Verschleierung von Kollateralschäden legitimieren kann. Wäre mehr davon auch für deutsche Mentalitäten sinnig?

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Die Freiheit, die wir meinen (sollten)

(Foto: torange.com)

In diesem immer noch jungen 21. Jahrhundert sitzen wir ideologisch in der Klemme. Unser Diskurs wird weitgehend bestimmt von zwei großen Glaubens-, oder besser: Fetischsystemen, die sich auf den ersten Blick zu ergänzen scheinen. Das erste System ist der Marktliberalismus, der Glaube an die segensreiche Macht individueller Konsumentscheidungen, an die Heiligkeit des privaten Eigentums, an die Verwerflichkeit staatlicher Interventionen und kollektiver Mandate. Das zweite ist die Digitalisierung, ein technologisch getriebener Wandel der Produktions-, Administrations- und Reproduktionssphären, der in den letzten 30 Jahren weitgehend alle Fortschrittsvisionen und -hoffnungen besetzt und damit blockiert hat.

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Befreiung in Zeiten des Lockdowns oder Freiheitskämpfer an allen Fronten

Bild: Lechenie Markomanii auf Pixabay

Was macht es mit einer Gesellschaft, wenn sie für das Wichtige und das Wahnhafte, für höchste Verantwortung und größte Dummheiten nur ein einziges Wort hat? Es ist das Wort, das die Enzyklopädie Philosophie definiert als „die Fähigkeit, sich selbstständig zu bewegen, zu verhalten oder zu bestimmen“. Unbeschränkt fördere diese Fähigkeit die Beschränktheit, meint ein Kabarettist. Zweifelsfrei steht an der Spitze der Fähigkeiten, sich selbständig zu bewegen, bezahltes Fußballspielen. Solange das nicht geht, scheint alles verloren. Aber seit „Fight Club“ wissen wir, „erst nachdem wir alles verloren haben, haben wir die Freiheit, alles zu tun“.

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Gegen die Wand gefahren – Machtdelle der Autolobby?

Bild: Mohamed Hassan auf Pixabay

Verschiebt sich in dieser Krise das bisherige Macht-Gefüge? Ein vorläufiger spannender Hinweis: Im ersten Anlauf hat die Autoindustrie, einschließlich IG Metall und deren Betriebsräten, sich bei Olaf Scholz und Angela Merkel eine blutige Nase geholt und nicht das Geforderte bekommen, nämlich vom Steuerzahler finanzierte Kaufprämien. Das gab es bisher noch nie. Wir entscheiden frühestens Ende Mai, hieß es im Kanzleramt. Wurden bei diesem Auto-Gipfel nur Entscheidungen verschoben oder gar Einfluss und Macht?

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Her mit dem schönen Leben – gute Gründe, sich jetzt einen Care-Aufbruch zu wünschen

Obwohl knapp zwei Drittel aller hierzulande geleisteten Arbeitsstunden unbezahlte und bezahlte Sorgetätigkeiten sind, drehe sich die politische und wirtschaftliche Debatte – auch während und trotz Corona-Krise – schon wieder vorrangig um das andere Drittel, also produzierendes und verarbeitendes Gewerbe. Zeit für einen Care-Aufbruch, meint Gabriele Winker, Mitbegründerin des Netzwerkes Care Revolution.

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Für Vernunft braucht es keine Nationalität

“Auch die Apokalyptiker glauben ja an eine einwandfrei absehbare Zukunft, die keinen Zickzackkurs kennt und keine Ungleichzeitigkeit zulässt. Ihr Pessimismus ist ebenso gradlinig und fantasielos wie der Optimismus, der die Fraktion des unaufhaltsamen Fortschritts auszeichnet.”

Hans-Magnus Enzensberger

“Es ist überhaupt nicht erwiesen, dass die Todesursache wirklich ein Hai war.”
– “Sie müssen den Strand so schnell wie möglich wieder öffnen, sonst sind wir Ende der Saison Pleite.”

Der weiße Hai, Steven Spielberg, 1975

“Aus jeder Krise erhebt sich die Menschheit mit einem größeren Anteil an Wissen, höherem Anstand und reineren Zielen.”

Franklin D. Roosevelt, US-Präsident von 1933 bis 1945

“Das Publikum übt sich in ‘doppelter Moral’. In ihr lebt das Individuum risikobereit vom Rauchen bis zum Autofahren, als Bürger eines Kollektivs aber ist es bis zur Hysterie unfähig zur Duldung von Restrisiken politischer Entscheidungen.”

Klaus von Beyme: Theorie der Politik im 20. Jahrhundert, Frankfurt 1991, S. 327

“Wenn die Bakairi mit ihrem Häuptling unzufrieden sind, verlassen sie das Dorf und bitten ihn, doch allein zu regieren.”

Karl von den Steinen: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Reiseschilderungen und Ergebnisse der zweiten Schingú-Expedition 1887–1888. Geographische Verlagsbuchhandlung von Dietrich Reimer, Berlin 1894 , S. 529
Karl von den Steinen (* 7. März 1855 in Mülheim an der Ruhr; † 4. November 1929 in Kronberg im Taunus) war ein deutscher Mediziner (mit Schwerpunkt Psychiatrie), Ethnologe, Forschungsreisender, Amerikanist und Schriftsteller wichtiger ethnologischer Werke, der sich besonders um die Erforschung der Indianerkulturen Zentral-Brasiliens und die Kunst der Marquesaner verdient gemacht hat.

“Für Vernunft braucht es keine Nationalität.”

Werner Schulz

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