Das vorletzte Wort: 70 Jahre Bundesverfassungsgericht

Screenshot: Website Bundesverfassungsgericht

Zwei Tage nach der Wahl zum 20. Deutschen Bundestag wird das Bundesverfassungsgericht siebzig Jahre alt. Genauer gesagt: Am 28. September 1951 wurde es in Anwesenheit von Bundespräsident Theodor Heuss und Bundeskanzler Konrad Adenauer offiziell eröffnet, hatte aber der Dringlichkeit wegen schon Anfang September eine erste Entscheidung zu treffen. Ein Rückblick auf die Geschichte und Entwicklung des Gerichts ermöglicht eine kritische Gegenwartsdiagnose: Um welche Freiheiten und Freiheitsgrade geht es eigentlich, und was nehmen die Bürger:innen davon wahr und für sich in Anspruch? So stabil das Vertrauen in das Bundesverfassungsgericht seit Jahrzehnten ist, so labil erweist sich der „soziale Zusammenhalt“ gerade jener, die sich emphatisch auf ihre Grundrechte berufen.

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(KW35) Scholz gerade obenauf. Wer versinkt in den Meinungswellen?

Intromusik: terrasound.de

Im August gewinnt die SPD sieben Prozent, die Union verliert acht. Kurz vor dem Finish haben sich die Verhältnisse verkehrt. Wie stabil ist das Hoch der gemerkelten SPD? 
Kommen Baerbock und Laschet doch noch aus der Tiefe des Wellentals? 
Horand Knaup und Wolfgang Storz mit interessanten Thesen — wie immer mal besser, mal schlechter begründet. 

Fundstücke der Woche:
1. Seelisches Trümmerfeld
2. Kein Hauskauf für Ausländer in Kanada
3. Staatliche Bezahlung für Angehörige von Pflegebedürftigen

Wortungetüme und einlullende Plakate = heißer Wahlkampf

Heiß sei ab sofort der Wahlkampf, heißt es, die Urnen geraten in Sichtweite: Plakate, Fernsehspots, Trielle machen sich breit. Und ausgerechnet jetzt mehren sich die Hinweise: Die vielen Menschen draußen im Lande verstehen die zur Wahl stehenden Menschen (schon in Machtzentren zuhause oder noch am Zaun rüttelnd) gar nicht.

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Nomaden der Neuzeit: „Und dann guckt man, wo es sonst hingeht“

Wahlberechtigte, die keine Wohnung innehaben (so steht es auf der Website der Bundeswahlleitung), werden nur auf eigenen Antrag in ein Wählerverzeichnis eingetragen. […] Wenn ein Wohnungsloser in das Wählerverzeichnis eingetragen ist, kann er auch wie jeder andere Wahlberechtigte an dem Briefwahlverfahren teilnehmen.

Foto: Bianca Ackermann auf Unsplash

Ist Freiheit auch für wohnungslose, nicht sesshafte Menschen ein großes Thema? Menschen ohne festen Wohnsitz, Menschen ohne Zuhause, Menschen, die vagabundisch unterwegs sind, Nomaden der Neuzeit – Mobilität als Lebensentwurf und als Schicksal, es sind viele, die es betrifft. Mit einzelnen von ihnen bin ich im Gespräch, auch über das Thema Freiheit.

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Viele Vorbilder, zu wenige Nachahmer

Wo gibt es Vorbilder? Die heute bereits zeigen, wie wir leben, arbeiten, wohnen, uns fortbewegen, produzieren, ohne die Natur (und uns) zu ruinieren? In vielen Städten ist dieser Wohlstands-Fortschritt, sind diese kleinen Transformationen schon zu erleben. Leider meist im Ausland, weniger bei uns.

Die „Bicycle Snake“ ist eine Brücke durch den Kopenhagener Hafen und nur für Radfahrer zugelassen. Nachts leuchtet der orangefarbene Boden. (c) Cycling Embassy of Denmark, DISSING+WEITLING.
Screenshot https://www.diamantrad.com/blog/fahrradstadt-kopenhagen/
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Illusionen, Leid und eine Lehre

Fotos (3): Fabian Arlt

Die USA, Deutschland und die Nato sind mit ihrem Modellprojekt, in Afghanistan Demokratie und Menschenrechte mit militärischen Mitteln durchzusetzen, grausam gescheitert. Die Welt richtet sich immer weniger nach westlichen Werten. Trotzdem: War in Afghanistan alles umsonst? Sicher nicht. Denn was die westlichen Entwicklungshelfer und NGOs dort gesät haben, wird irgendwann, wenn der jetzige Alptraum vergangen ist, hoffentlich Frucht tragen. Entwicklung, Freiheit, Demokratie und Versöhnung können jedoch nur von innen wachsen.

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Für Realitätsverweigerung die Note sehr gut

Bild: TUBS, wikimedia commons

Unter dem Titel „Erst politisch gescheitert, dann militärisch verloren“ veröffentliche die Bundeszentrale für politische Bildung im April 2016 einen Meinungsbeitrag des Friedens- und Konfliktforschers Jochen Hippler. Wir übernehmen Hipplers Analyse auf bruchstücke, weil uns deren Erklärungskraft für die heutigen tragischen Geschehnisse in Afghanistan beachtlich erscheint. Aus der Perspektive politischer Theorie könnte der Bogen noch weiter gespannt werden. Neben der Klima-Krise und der Corona-Pandemie (auch an den Zusammenbruch des realen Sozialismus wäre zu denken) ist das Afghanistan-Desaster ein weiterer Fall, der die große Frage aufwirft, weshalb modernes Regieren so sehr von Realitätsverweigerungen lebt – bis der Kollaps kommt.
Jochen Hippler meinte vor fünf Jahren, die stärkste Militärmacht der Welt habe den Krieg gegen vielleicht 35.000 schlecht bewaffnete Kämpfer politisch verloren. Die Ursachen lägen in den komplexen Machtverhältnissen in der afghanischen Gesellschaft und dem mangelnden Verständnis der NATO für den Charakter des Krieges am Hindukusch. Im Folgenden seine Analyse.

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Gute Übersicht trotz geringer Flughöhe

Screenshot Deutschlandfunk-Website

Eine leicht zugängliche Orientierung über Aktualitäten auf dem Buchmarkt für politische Literatur liefert das Magazin „Andruck“, das der Deutschlandfunk montags von 19.15h bis 19.59h ausstrahlt. Die Sendungen stehen als Podcasts jederzeit zur Verfügung. Das sozialwissenschaftliche Nachrichtenportal soziopolis urteilte zurecht: „Die theoretische ‚Flughöhe‘ der Besprechungen bleibt zu Gunsten einer Orientierung an einzelnen Phänomenen, Geschehnissen oder Personen allerdings meist gering.“ Aber dass ein Massenmedium eher populär als wissenschaftlich informiert, kann keine unangenehme Überraschung sein. In der Sendung vom 23. August 2021 werden unter anderem vorgestellt: Herfried Münklers vielfach rezensiertes Buch über das „Trio infernale“: „Marx, Wagner, Nietzsche. Welt im Umbruch“, Rowohlt Verlag sowie Elizabeth Kolbert: „Wir Klimawandler. Wie der Mensch die Natur der Zukunft erschafft“, Suhrkamp Verlag und Martin Florack, Karl-Rudolf Korte, Julia Schwanholz (Hrsg.): „Coronakratie. Demokratisches Regieren in Ausnahmezeiten“, Campus Verlag. Fortgesetzt wird der Blick auf den Wahlkampf: „Das Wahlprogramm als Politische Literatur – Teil 3: AfD“.

Katastrophenstimmung? Nur keine Aufregung …

Und noch ein Klimareport, der uns mahnt, droht, zum Fürchten bringen kann … Die unaufgeregteren Kommentatoren bestreiten nichts von dem, was dort von einer unverdächtigen globalen Wissenschaftler-Gilde analysiert wurde. Aber viele Kommentare sagen auch: Es ist nichts mehr gänzlich aufzuhalten. Wir müssen uns dem stellen, was unvermeidlich ist, ohne das zu lassen, was das Schlimmste verhindert. Aber was bleibt zu tun? ‚Duck and cover‘, wie es einst in den USA hieß, um sich gegen einen Atomwaffenangriff zu schützen? Es geht eher um eine Offensive. Aber keine, die bremst, sondern unsere Stärken nutzt und dabei bekannte Fehler vermeidet.

Zur Freiheit, anders und weiter zu denken, gehört auch der Mut zu futuristischen Visionen.
(Giancarlo Zema Designgroup, Pressebild)
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Durch die Klimakatastrophe — mit Kondratieff und der Allianz

Bild: Geralt auf Pixabay

Gehen wir davon aus, weltweit, also auch bei uns gehören die Finanzmärkte zu den drei, vier Mächten, die das Geschehen mitprägen, im Zweifel den Ausschlag geben. Dann sollten wir gerade in diesen Wahl-Monaten BlackRock, AGI und Nikolai Kondratieff mindestens genauso viel Aufmerksamkeit schenken wie Olaf Scholz, Armin Laschet und Annalena Baerbock.

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Weil siegt über Obwohl: Virtuelle Meetings setzen sich durch

Was dem Planeten hilft, nützt nicht notwendig der geistigen Gesundheit der Beschäftigten und der Qualität ihrer Arbeitsbeziehungen. Eine Möglichkeit, ökologisch Richtiges und sozial Förderliches zu realisieren, ist ein ausgefeilterer Einsatz von Technologie, der virtuelle Arbeit verbessern kann. Viele Unternehmen, die im letzten Jahr online gehen mussten, stürzten sich darauf, Videokonferenzen für alles zu nutzen. Aber andere Tools funktionieren gut für verschiedene Aufgaben. Bei LeanIn.Org, einer Organisation, die sich der Förderung der Zusammenarbeit berufsrufstätiger Frauen widmet und die schon lange vor der Pandemie die Arbeit aus der Ferne förderte, arbeiten die Teams auf Google Docs. Das ermöglicht ein gemeinsames, aber „asynchrones“ Arbeiten. Die Frauen arbeiten dort zusammen, aber in ihrer eigenen Zeit an einer Aufgabe. Meetings beginnen mit einem stillen Brainstorming mit Jamboard, einem virtuellen Whiteboard. Ziel ist es, sagt Rachel Thomas, die Chefin der Gruppe, auf verschiedene Arten zu kommunizieren, um unterschiedliche Menschen einzubeziehen – langsame und schnelle Denker, verbale und visuelle Lerner, Introvertierte und Extrovertierte.

Screenshot The Economist
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Wie Phoenix aus der Asche: das freie Individuum

Bild: Joenomias auf pixabay

„Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt“, sagt unser Grundgesetz im Artikel 2. In dieser Formulierung drückt sich das ganze Drama des Freiheitsverständnisses aus, um das sich die Auseinandersetzungen drehen, auch in diesem Bundestagswahlkampf. Wie Phönix aus der Asche tritt das freie Individuum auf die Weltbühne, während die politische Ordnung, das Soziale und die Kultur – Natur kommt gar nicht vor – zu Freiheitsschranken degradiert werden. Unterschlagen, völlig ausgeblendet wird dabei, dass die politische, soziale, kulturelle, natürliche Umwelt zugleich und überhaupt erst die Bedingungen der Möglichkeit individueller Freiheiten schafft. Freiheit ist weder voraussetzungs-, noch folgenlos zu haben. Wer das ignoriert, provoziert unproduktiven und destruktiven Streit. Konflikte entstehen immer, wenn es um Freiheit geht, aber nicht notwendig so irreführende.

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In AfD-Hochburgen breitet sich Covid 19 stärker aus als in grünen Milieus

Auf der Vertikalen: Die Stimmenanteile der AfD (bzw. der Grünen in der unteren Grafik) bei der Europa-Wahl 2019. Auf der Horizontalen: Die Höhe der Covid-19 Inzidenz. Die Punkte stehen für die 108 kreisfreien Städte. Der Korrelationskoeffizent (r) drückt die Stärke des statistischen Zusammenhangs aus, er reicht von +1 bis zu -1. (Quelle: Eigene Darstellung)

Statistisch zeigen sich geradezu spiegelbildliche Verhältnisse: Wo die AfD stark ist, ist die Corona-Inzidenz eher hoch, wo die Grünen besonders stark sind, eher niedrig — das ist eines der Ergebnisse der folgenden Analyse. Achtung! Eine statistische Korrelation (Stärke der Beziehung zwischen zwei Variablen) ist ein Hinweis auf, aber kein Beweis für Kausalität (Ursache und Wirkung). Unter der Fragestellung „Gibt es soziale, politische und kulturelle Risikofaktoren für Covid-19-Infektionen?“ werden Zusammenhänge zwischen Armut und Corona, Einflüsse von Herkunft und Kultur, Verhaltensweisen und Haltungen auf das Infektionsgeschehen empirisch untersucht.

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(N°18) EU umgekehrt: Was kann der Westen vom Osten lernen?

Intromusik: terrasound.de

Ob Nation, Geflüchtete, Freiheit der Medien und der Justiz, Homophobie — die Sichten von Ost- und Westeuropa unterscheiden sich stärker denn je. Wie explosiv ist das innereuropäische Verhältnis? Was kann der Westen vom Osten lernen?
Darüber und über dessen Buch „Europas geteilter Himmel“ spricht Wolfgang Storz mit Norbert Mappes-Niediek, Publizist und herausragender Osteuropa-Kenner. Er sagt: Zuspitzungen der Konflikte führen nicht weiter.

DLF-Wirtschaftsjournalismus: Freude schöner Wachstumsraten in Zeiten der Klimakatastrophe

Haben Sie ein bisschen Zeit? Haben Sie Mittagspause? Interessieren Sie sich für Aktien, Unternehmen, Börse, BMW, Türkei, China und Waldbrände? Dann nichts wie rein in „Wirtschaft am Mittag“ im Deutschlandfunk, dem täglichen öffentlich-rechtlichen Wirtschaftsmagazin. Heute, Dienstag, 3. August 2021, 13.35 Uhr, mit Moderator Günter Hetzke und seinem eloquent-optimistischen Sound einer ständig wachstumsfreudigen sozialen Marktwirtschaft in der Stimme: Wie geht es dem Digital-Unternehmen Teamviewer? Was? Hhm, die Gewinne halbiert, da geht es aber sieben Prozent in die Tiefe! Gehen wir zu BMW und unserem Münchner Landeskorrespondenten, wie geht es dem Autobauer in München? Was sagt der Vorstandsvorsitzende Oliver Zipse?

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