Bröckelt die Männerdomäne Wirtschaftstheorie?

Antje Schrupp / Foto: Laurent Burst

In den USA kann man als schlechter Schauspieler Präsident werden und als Präsident ein schlechter Schauspieler sein. Ronald Reagan hat 1981 in seiner präsidialen Antrittsrede den berühmten Satz gesagt, der im Nachhinein als eine Art Grundsteinlegung für den Neoliberalismus gelesen wird: „Die Regierung ist nicht die Lösung unseres Problems. Sie ist das Problem.“ In Krisen freilich werden von Regierungen Lösungen erwartet, während die herrschende Wirtschaftswissenschaft meist maulend und oft ratlos in Talkshows auftritt. Geht es auch anders? „Wie fünf Ökonominnen Wirtschaft und Politik neu verbinden“ ist der Titel eines informativen Essays von Antje Schrupp, der beim Deutschlandfunk zu hören und lesen ist. Die Journalistin und Politologin stellt fünf Wissenschaftlerinnen vor, die das volkswirtschaftliche Denken von alten Glaubenssätzen entrümpeln.

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(KW42) „Alleiner kannst du gar nicht sein“

Intromusik von terrasound.de

Horand Knaup und Wolfgang Storz sprechen über das neue Buch, das Horand zusammen mit Peter Dausend recherchiert und geschrieben hat.

»Die wollen sich zurückholen, was ihnen gar nicht gehört«

Der Kampf geht weiter:
Frauen und die Retropolitik der Männer

Wiebke Esdar ist neu im Bundestag, seit 2017 erst dabei, die Abgeordnete aus Bielefeld gilt als eines der vielversprechenden politischen
Talente in der SPD-Fraktion. Doch wenn sie in Sitzungen das Wort ergreift, zücken viele Männer ihre Handys, drehen sich zum Nachbarn hin, beginnen zu plaudern, hören nicht mehr zu.

Sevim Dağdelen ist eine Politikerin aus der zweiten Reihe der Linken, die regelmäßig in Talkshows auftritt, wenn es um die Türkei und Präsident Recep Tayyip Erdoğan geht. Wenn sie nach den Sendungen auf ihre Facebook-Seite schaut, liest sie Einträge wie »Du dreckige Schlampe«, »Sie wird ja von einem deutschen Schwanz gefickt«, »Du fette Sau«.

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Nachrichten aus einem Land, in dem man von klein auf lernt, am Tresen zu trinken

Seit dem 6. Oktober  gilt für öffentliche Räume der Geselligkeit (Bars, Brasseries, Bistros, Restaurants) in Paris, Marseille, Aix-en-Provence die höchste Alarmstufe zum Schutz gegen Covid-19. Am 10. Oktober wurden auch Lille, Lyon, Grenoble, St-Etienne, Montpellier, Avignon und Toulouse in diese Kategorie eingeteilt. Die Regeln sind strikt: Getrunken und gegessen werden darf nur im Sitzen, nach 23 Uhr dürfen nur Restaurants noch Alkohol ausschenken, Wirte müssen die Kontaktdaten (Name, Vorname, Besuchsdatum mit Uhrzeit, Telefonnummer der Gäste) registrieren.

In einem Land, in dem man lernt, dass ein Tresen dazu dient, im Stehen zu trinken, bevor man groß genug ist, sich mit einem Ellenbogen auf diesen zu stützen und in der andern Hand das Glas zu halten, ist es natürlich nicht ganz einfach, solche Verhaltensregeln innerhalb von Tagen durchzusetzen.

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Schweden: Vertrauensvoll oder verantwortungslos

In zahllosen deutschen Fernsehsendungen zum Thema Corona treten immer dieselben 20 bis 30 Männer und Frauen auf, Virologen, Politiker, Publizisten. Warum gibt es beispielsweise kein zwei- oder drei stündiges Fernseh-Duell zwischen Christian Drosten, dem deutschen Virologen-Guru, und dem schwedischen Staatsepidemiologen Anders Tegnell? Es könnte ein Höhepunkt an demokratisch-sachlicher Aufklärung sein.

Bild: Jutta Schmidt-Berrang; Sabine Held | wikimedia commons
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Kandidat für eine Kuschel-Kanzlerschaft

Dr. Robert Habeck (2006) Foto: wikimedia commons

Robert Habeck ist fähig und willens, als Kanzler für Deutschland zu arbeiten. Er hat sich endlich durchgerungen und es uns vor wenigen Tagen persönlich bestätigt. Wir wissen jetzt Bescheid. „Diese Prüfung würde ich für mich bestehen“ lautet der vielsagende, leicht schwergängige Satz. Sicher ein Gewinn, für sein Selbstbewusstsein, vermutlich auch gut für seine Partei, die Grünen, und orientierend für Annalena, die jetzt weiß, dass dieser Kelch respektive Kerl an ihr vorüber geht. Und was gewinnt das Land?

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(KW41) Rechtsradikale bei Polizei, MAD… Reale Gefahr oder Alarmismus?

Intromusik von terrasound.de

Horand Knaup und Wolfgang Storz im Gespräch zum Thema der Woche

Der Müll der anderen

„Was macht der junge Mann dort?“ Wir sitzen auf einer Bank im Günthersburgpark, Frankfurt, und es ist Samstagvormittag. Meine Frau meint, er suche nach Kastanien oder Eicheln. Die Baumkronen über dieser von der Sonne verbrannten Fläche sind, sagt uns der zweite Blick, die von Platanen und Eschen, weit und breit keine Kastanien und Eichen. Der Mann hockt am Boden, rechts mit Handschuh, sammelt irgendetwas auf dem braunen Boden ein, das er in einen Plastiksack wirft. Klar: Er säubert den Rasen. Übrigens nicht alleine, wie wir nach und nach feststellen. Überall im Park durchkämmen Menschen den Rasen nach Müll. Nach dem Müll der anderen. Keine Müllabfuhr ohne Müllansammlung, kein Einsammeln ohne Fallenlassen, kein Entsorgen ohne angehäufte Sorgen. Hier sind Bürgerinnen und Bürger aktiv, die ihren Park müllfrei haben möchten, weil er ihnen wohl etwas bedeutet. In Frankfurt ist das nur ein Tatort von mehreren. Denn die Vermüllung der Stadt ist zu einem Thema geworden.

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(KW40) Die Grünen im Weichspülgang

Intromusik von terrasound.de

Horand Knaup und Wolfgang Storz im Gespräch zum Thema der Woche

Direkte Demokratie in Berlin und München: Mehrheit für 21, 25 Euro Mindestlohn

Foto: Lowdown wikimedia commons

Die Schweiz hat etwa ein Zehntel der Einwohnerzahl Deutschlands, im Kanton Genf wohnen rund 500.000 Menschen, mal zehn ergibt es Berlin und München zusammen. Folgende Vorstellung müssen wir uns jetzt machen: Die Bundeshauptstadt und die bayerische Landeshauptstadt haben in einem Akt direkter Demokratie darüber abgestimmt, ob in ihren Stadtgebieten 21, 25 Euro Mindestlohn pro Arbeitsstunde gezahlten werden sollen – und sich mit 58 Prozent Ja-Stimmen dafür entschieden. So geschehen am Sonntag, 27. September 2020, im Schweizer Kanton Genf. Seine Wählerinnen und Wähler votierten für 23 Schweizer Franken Mindeststundenlohn. Wer mag sich, wäre es in Berlin und München tatsächlich geschehen, die Empörung der Arbeitgeberverbände und der (Wirtschafts-)Medien vorstellen, den Aufschrei des politischen Mainstreams, die Untergangs-Arien in den Talkshows. Niemand.

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Meine Welt ist vagabund

Foto: Hatham auf Unsplash.com

Oxford Languages definiert ein Vagabundenleben als „ungebundenes, unstetes Leben mit häufigem Wechsel des Aufenthaltsortes und der Lebensumstände“. Vagabund*innen, eventuell auch sogenannte Tippelbrüder und Tippelschicksen, waren früher Menschen, denen ihre Mitmenschen meist mit Skepsis, oft mit Ablehnung und am liebsten gar nicht begegneten. Inzwischen scheint sich ihr Image positiv zu entwickeln. Heute, in der globalisierten und digitalisierten Gesellschaft, wirken Aussteiger*innen, Nomad*innen, Vagabund*innen zunehmend modern, mutig und hipp. Im Internet wird ihre Unabhängigkeit angepriesen. Aber ein Vagabundenleben muss man sich leisten können.

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Emanzipation im Quadrat

„Würdest Du mir bitte sagen, welchen Weg ich einschlagen muss?“ „Das hängt in beträchtlichem Maße davon ab, wohin du gehen willst.“
(Bild: John Tenniel / wikimedia commons)

Wenn unklar geworden ist, was links und was rechts bedeutet, wenn politische Farben ineinander fließen, sich Querfronten bilden und Zweifel wachsen, wofür und wogegen man sein soll, empfehle ich Emanzipation im Quadrat. In (m)einen Topf geworfen, was ich über neuzeitliche Geschichte, gegenwärtige Zustände und erwartbare Zukünfte gelesen, erlebt und bedacht habe, befürworte ich vier strategische Orientierungen; wer Machtinteressen verfolgt und Privilegien schützen oder erringen möchte, wird andere haben. Emanzipation im Quadrat heißt, sich für Gleichstellung, Demokratisierung, Grundeinkommen und Arbeitszeitverkürzung stark zu machen.

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Der Mensch ist kein Arbeitstier, das Tier übrigens auch nicht

Ein humanoider Roboter in der DASA – Arbeitswelt Ausstellung / wikimedia commons

Obwohl fast hundert Jahre alt, ist diese Definition von ARBEIT kein kalter Kaffee, sondern bis heute tief im Alltagsverstand verankert: Arbeit sei als eine „bei gesunden Menschen (…) schlechtweg normale Lebensäußerung“ zu verstehen, heißt es im Handwörterbuch der Staatswissenschaften von 1923 [1] Diese Definition ist trivial, unhistorisch und anthropologisch bestenfalls küchenpsychologisch-spekulativ fundiert. Doch selbst die Erklärung der Menschenrechte von 1949 beruht auf diesem intellektuell fragwürdigen Fundament, wenn im Artikel 23 aus dem Handgelenk statuiert wird: „Jeder Mensch hat das Recht auf Arbeit“. Für den bedeutendsten Philosophen des Abendlandes wäre ein Wort wie „Arbeitsleben“ allenfalls Ausdruck von Schmach und Ehrlosigkeit gewesen – und sonst gar nichts. – Eine Recherche bei Aristoteles und Karl Marx mit Streiflichtern auf das Alte und Neue Testament, Martin Luther, Hannah Arendt, die kommunistische Arbeitstheologie und André Gorz.

Als edition bruchstuecke #4 steht der Text
auch als pdf zum Download zur Verfügung.

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Große Pause bei Aldi

Schulpause 1895 nach einem Gemälde von Fritz Beinke (1842-1907), Die Gartenlaube / wikimedia commons

Ich weiß nicht mehr genau, warum ich an diesem Tag vormittags zu Aldi einkaufen gegangen war. Sicher vermutete ich, um diese Zeit sei der Supermarkt noch nicht so gut besucht. In Zeiten der Pandemie ein nicht zu unterschätzender Vorteil. Als ich dort eintraf, überraschte mich die Ansammlung der Menschen. Präziser: Etwa einhundert Schülerinnen und Schüler kauften gerade ein. Offenkundig nutzten sie ihre Pause, um von der nahe gelegenen Schule zum Großhändler zu gehen. Sie kamen in losen Grüppchen, ein nicht abreißender Strom. Große Pause bei Aldi?

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Feindliche Aufmärsche in der Coronakrise

FEIND / Bild: Fix 1977 / wikimedia commons

Politikverdrossene vieler Couleur, Corona-Skeptiker, Impfgegner, Identitäre, Reichsbürger, Radikale und andere Quer zu Vernunft, Recht und Demokratie Agierende – wer kennt die Gruppen, nennt die Namen, die ungastlich zusammenkamen Ende August 2020 zur Großdemonstration in Berlin. Warum ist, wie viele Journalisten und Politiker es beklagen, mit den Demonstranten nicht zu reden? Weil politische Gegnerschaft nur deren demokratischer Vorwand ist. Zumindest den Wortführern geht es nicht um praktizierte Meinungsfreiheit, sondern um Glaubensverkündung. Missverstehen und Missbrauch von Demokratie äußern sich in der Forderung nach „Taten statt Worten“, zeigen sich an den Schildern, die Politiker*innen als Straftäter*innen in Häftlingskleidung präsentieren. Hier werden Feinde vorgeführt, homo homini lupus, Politik als Freund-Feind-Fehde feiert Urstände.

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