
(Foto: Public Domain)
Für den angelsächsischen Begriff des ‘public intellectual’ gibt es im Deutschen zwar eine unbeholfene Übersetzung, den ‘öffentlichen Intellektuellen’, aber keine wirkliche Entsprechung. Mit Ausnahme vielleicht von Jürgen Habermas und Hans-Magnus Enzensberger haben sich hier in den letzten Jahrzehnten denn auch kaum Gelehrte so in den öffentlichen Diskurs eingebracht, dass ihre Stimme im Land und über seine Grenzen hinaus Gewicht und Bedeutung hätte. Wenn wir von ‘public intellectuals’ sprechen, beziehen wir uns meist auf andere Sprach- und Kulturkreise: historisch zum Beispiel auf das rive gauche im Paris der 50er bis 70er Jahre. Oder eben auf den angelsächsischen Diskurs, der sprachbedingt einigermaßen mühelos Staaten wie die USA, Kanada und Großbritannien umfasst.
Der britische Historiker Tony Judt, der genau heute vor 10 Jahren an den Folgen der unheilbaren Krankheit ALS verstarb, wird immer wieder als Prototyp des ‘public intellectual’ gehandelt. In seinen letzten 15 Lebensjahren leitete er das von ihm gegründete Erich-Maria-Remarque-Institut für Europastudien an der New York University. Judts opus magnum, das 2005 erschienene Postwar (dt.: Geschichte Europas), ist eine breit angelegte Darstellung der europäischen Nachkriegsjahre im Schatten der Weltkriege, explizit motiviert durch den Perspektivwechsel, der sich aus dem Zerfall des Ostblocks ergab.
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