Für mehr Reform, weniger PR in Sachen ÖRM

Eine Initiative schlägt dezent Alarm. Und fast alle im kritischen Medienbetrieb und darum herum, mit höherem Rang und Namen, haben schon unterschrieben. Dieses Anliegen ist ihr erstes: „Die öffentlich-rechtlichen Medien stehen unter Trollfeuer und brauchen breite Unterstützung!“ Nun stimmen fast alle, abgesehen von den Trollen und der AfD, darin überein, wie unverzichtbar, wertvoll und so weiter die öffentlich-rechtlichen Medien (ÖRM) für die Demokratie sind. Da fast alle darin übereinstimmen, die ÖRM also auf einem breiten Fundament an Zustimmung ruhen — ist es um sie machttechnisch wirklich so schlimm bestellt, dass wir jetzt auch noch öffentlich zum gefühlt 100. oder 324. Mal beteuern müssen, Ihr seid so gut und so wichtig? Ist doch der Apparat der ÖRM mit seinem acht Milliarden Euro-Budget und seinem politisch bestens (notfalls bis in die Unabhängigkeit) vernetzten Management doch gegen Angriffe gefeit, wie kaum ein anderer. Was sollen dem die paar hunderttausend oder wenige Millionen Trolle und die rechtsradikale AfD schon groß antun können?

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»Atomenergie und Demokratie sind nicht kompatibel«

Kommt die Wiederbelebung der Atomenergie in Deutschland? „Es gibt interessant klingende Forschungsprojekte, aber es sind eben nur Papierreaktoren. Vieles von dem, was jetzt als neue Lösung präsentiert wird, war schon mal da: Die Ruinen eines mit Natrium gekühlten Reaktors oder eines Thoriumreaktors können in Kalkar, Hamm-Uentrop oder Jülich besichtigt werden“, sagt Sylvia Kotting-Uhl. Sie war von 2005 bis zur jüngsten Bundestagswahl für die Grünen im Bundestag. Ab 2018 war sie Vorsitzende des parlamentarischen Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit. Als profilierte Kritikerin der Atomenergie hat sie sich ein beachtliches Renommee erworben, während dieses Thema in ihrer Partei seine vormals zentrale Bedeutung allmählich verliert. Im Interview mit Detlef zum Winkel kritisiert sie „das unhinterfragte Kolportieren der Behauptung, Atomkraft sei ein Beitrag zum Klimaschutz“.

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I’m sexy, but I fake it – über Kamele und andere Schönheiten

Bild: Joe Camel © R.J. Reynolds Tobacco (RJR)| Intromusik: terrasound.de

Persönlichkeit für Zweibeiner, Botox für Vierbeiner? Der Schönheitswettbewerb auf dem „König-Abdulaziz-Kamelfestival“ ist mit fast 60 Millionen Euro dotiert.

Geschrieben und gesprochen von Joe Kerr

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Signal aus Karlsruhe: Eigene Bildungsrechte für Kinder und Jugendliche

Im Katalog der Grundrechte tauchen die Würde, die Chancengleichheit, die Berufwahlfreiheit und der freie Zugang zu Stätten der Ausbildung auf. Es fehlt eine Voraussetzung, diese Zusicherungen des Grundgesetzes wahrnehmen zu können: das Recht auf Bildung für alle Kinder und Jugendlichen. Jetzt hat das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe diese Lücke in einem Urteil geschlossen. Zumindest teilweise: Der Staat muss gegenüber den Kindern und Jugendlichen das Recht einlösen, „ihre Entwicklung zu einer eigenverantwortlichen Persönlichkeit auch in der Gemeinschaft durch schulische Bildung zu unterstützten und zu fördern (Recht auf schulische Bildung).“ 1 Welch ein neues Recht für Schülerinnen und Schüler!

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Das erste konservative Gebot: nicht herumdrucksen

CDU-Wahlkampf-Großveranstaltung 1987 (Foto: Arne Schambeck auf wikimedia commons)

Die CDU ringt um eine neue Führung, die Konservativen insgesamt ringen um ein neues Profil. Im Moment ist die Programm-Debatte vor allem vage und es geht kunterbunt durcheinander. Überraschend ist das nicht. Galt doch viele Jahre der Hinweis: Wir regieren besser als die anderen, der reichte aus. Wo liegt die Rettung vor dem Absturz, wo der programmatische Stoff für den Wiederaufstieg? Was könnte der Nukleus einer neuen anziehenden konservativen Botschaft sein?

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Jetzt, da die Zeit über den Neoliberalismus gerade hinweggeht

„Jede Regierung sage daher an ihrem ersten Tage, wie Gott am ersten Schöpfungstage: Es werde Licht!“ Die Ampel-Regierung wird sich vier Jahre lang damit beschäftigen müssen, woher der regenerative Strom fürs Licht kommen soll. Jean Pauls Politische Fastenpredigten lasen den aufgeblasenen deutschen Duodezfürsten die Leviten. Ihnen schrieb er satirisch verpackte Wahrheit ins Gebetbuch. Mit Wahrheit herauszurücken, haben sich im zurückliegenden Wahlkampf nur Die Grünen getraut. Die Scholz-SPD hat versprochen, eigentlich alles beim Alten zu lassen; nur der Motor der Industriegesellschaft laufe künftig elektrisch statt mit Benzin. Herr Lindner versprach, übers Wasser gehen zu können. Vereint als Ampelregierung wollen die drei Parteien mehr Fortschritt wagen.

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Boris Johnson: „Ich glaube, es lief ziemlich gut“

Intromusik: terrasound.de

Die skurrilen Auftritte des britischen Premierministers, seine Begeisterung für Peppa Wutz und die lustige Party in Downing-Street zu Pandemiezeiten, die es nie gab: die Party oder die Pandemie?

Noch nicht genug von Peppa Wutz und brumm-brumm-raaraa? Hier gibt’s die Ansprache von Boris Johnson.

Geschrieben und gesprochen von Joe Kerr

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Das Modell Söder — eine Sackgasse

Foto: Michael Lucan auf wikimedia commons

Die CDU hat sich mit Kanzlerin Angela Merkel an der Spitze in sechzehn erfolgreichen Jahren fast zu Tode gesiegt. Ihr Zustand ist erbärmlich, keine Frage. Wo liegt die Rettung vor dem Absturz, wo der programmatische Stoff für den Wiederaufstieg? Alle reden von Erneuerung, noch niemand weiß, wie sie gehen, worin sie sie bestehen soll. Und: Viel spricht dafür, dass die CDU an ihrem Tiefpunkt noch nicht angekommen ist. Vermutlich steht er mit den Landtagswahlen (Saarland, Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen) im ersten Halbjahr 2022 erst bevor. Aber egal wie tief es noch geht, eines sollte die CDU unbedingt beachten: Das Populismus-Modell Markus Söder — liebes Volk, ich bin Euer Macher, wählt mich, Partei ziemlich unwichtig! — endete jüngst im Nachbarland Österreich nach wenigen Jahren mit einem Crash.

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Friedensnobelpreis und Kanzlerschaft: Tut um Gottes Willen etwas Tapferes

Foto: Holger Ellgaard auf wikimedia commons

Der Koalitionsvertrag der Ampelparteien knüpft mit seinem Motto: „Mehr Fortschritt wagen“ an das berühme Versprechen Willy Brandts in seiner ersten Regierungserklärung 1969 an: „Wir wollen mehr Demokratie wagen“. Es gibt aber noch ein zweites Zitat aus dieser Rede, das in Erinnerung geblieben ist: „Wir wollen ein Volk der guten Nachbarn sein“. Für die Umsetzung dieses Versprechens ist Willy Brandt mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet worden. Die Übergabe des Preises fand am 10. Dezember 1971 in der Universität von Oslo statt. Fast auf den Tag genau 50 Jahre später wurde Olaf Scholz zum Bundeskanzler gewählt und berufen.

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Memories of Merkel

Angela Merkel hat das Land verändert, aber sie hinterlässt gewaltige Baustellen. Für die Zukunft ist die Republik so schlecht gerüstet wie ihre CDU. Ich begegnete ihr das erste Mal 1990, das zweite Mal bei einem Hintergrundgespräch 1998 nach der Abwahl der Kohl-Regierung, richtig kennengelernt habe ich sie als CDU-Generalsekretärin. Ein persönlicher Rückblick.

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Der Ampelkanzler, ein zielstrebiger Zauderer

Die Charakterisierung war treffend und gilt heute mehr denn je. „Scholz“, schrieb der Spiegel im November 2007, „ist ein gutes Beispiel dafür, welche Umwege man in der Politik manchmal gehen muss, um dort zu landen, wo man hinpasst.“ Oder, um es im Fall von Olaf Scholz zu präzisieren, um dort zu landen, wo man hinzupassen glaubt.

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General Corona kommt, aber Micha hat den Farbfilm vergessen

Bild:  https://www.spiegel.de/geschichte/werbung-a-947886.html

Das Militär macht, dazu ist es da, was ihm befohlen wird, und zwar zackzack. Zwischenrufer, Bedenkenträger, Neinsager, alle nicht zu gebrauchen. Wird der Abschiedswunsch einer Bundeskanzlerin zum Befehl, spielt die Militärkapelle auch Lieder der anarchistisch angehauchten „Godmother of Punk“ Nina Hagen. Wird der Einstiegswunsch der neuen Regierung zum Befehl, das Impfchaos endlich in den Griff zu bekommen, tritt ein General an.

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Kulturkampf um Mohren und Möhren

Intromusik: terrasound.de

Was haben das Berliner Staatsballett, Aldi-Nord und Aldi-Süd gemeinsam? In der Kunst- wie in der Konsumwelt gibt es statt stiller Nacht, heiliger Nacht Shitstorms um den Nussknacker und eine Karottenfamilie.

Wer dennoch nicht auf den Nussknacker verzichten möchte, kommt hier in den Genuss der Fassung von 1892, aufgeführt 2012 im Mariinsky Theater, Sankt Petersburg.

Geschrieben und gesprochen von Joe Kerr

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Flüchtlingspolitik geht nur gemeinsam

Das Drama an der belarussischen Grenze lehrt: Humanitäre Alleingänge helfen so wenig wie eine Abschottungspolitik. Diesmal hat es die EU recht gut gemeistert. Die Flüchtlingskrise von 2015 und 2016 lastet bis heute auf der Europäischen Union. Die anhaltenden dramatischen Bilder von frierenden, hungernden, verzweifelten Menschen im Feindesland zwischen Belarus und Polen erinnerten sofort daran.

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Nur wenige wollen wegen des Klimas ihr Verhalten ändern

Die meisten Menschen in den wohlhabenden Industrieländern halten die Klimakrise für höchst besorgniserregend und einen Wandel hin zu mehr Klimaschutz für sehr wichtig. Sie beurteilen dabei ihren eigenen Beitrag als überragend, ihre Regierung in Klimadingen als wenig kompetent und möchten an ihren Lebensgewohnheiten wenig bis nichts ändern.

Foto: Jörg Farys/BUND auf Flickr CC BY-NC 2.0
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