(Immobilien-)Eigentum verpflichtet – sich zu vermehren?

Erst der Bundesverfassungsgericht (Mietendeckel), jetzt das Landgericht Berlin (Buchhandlung Kisch & Co. in Kreuzberg): immer in Sachen Immobilieneigentum gegen Gemeinwohl, in beiden Fällen Sieg des ersteren über letzteres. Die Zivilkammer 55 des Landgerichts Berlin hat „die Beklagten zur Herausgabe und Räumung einer Buchhandlung in Berlin-Kreuzberg verurteilt, sodass die Klage der Vermieterin in erster Instanz Erfolg hatte“. Geklagt hat der luxemburgische Investmentfonds Victoria Immo Properties V S.à.r.l., vertreten durch eine Londoner Anwaltskanzlei. Gegen die Verdrängung von „Kisch & Co.“ protestierten Anwohnerinnen, Kundinnen und ein Bündnis aus stadtpolitischen Initiativen seit über einem Jahr. Ihre Kundgebungen wurden regelmäßig von Berliner Künstler:innen unterstützt. Eine Petition auf change.org haben über 20.000 Einzelpersonen und Organisationen unterschrieben. Auch Lokal- und Landespolitiker:innen setzen sich dafür ein, dass die Buchhandlung erhalten bleibt. Zuletzt schrieben Kultursenator Klaus Lederer und Justizsenator Dirk Behrendt gemeinsam an die Eigentümerinnen. Zwei Tage vor dem Prozess fand vor der Buchhandlung eine weitere Demonstration statt unter dem Motto: “Kisch & Co bleibt” (Foto: J. G.). In Moabit wurde dann am ein alternatives “Gerechtsverfahren” inszeniert und uraufgeführt. Über das Urteil im Gerichtsverfahren berichteten auch dpa und der RBB.

Söders rechtspopulistischer Kern, jederzeit aktivierbar

Foto: Michael Lucan/ wikimedia commons

Der Polit-Tatort ist vorbei. Sonntag, 18. 4., 21.03 Uhr, Tagesschau24. Moderator an Korrespondentin: Wir haben gehört, Söder ist nach Berlin geflogen. Was hat das zu sagen? Korrespondentin an Moderator: Haben wir auch gehört. Das hätten wir ihn gerne gefragt. Aber wir suchen ihn noch. Auch Spiegel-Online beteiligt sich an der Fahndung: „Laschet-Limousinen gesichtet“.
Abspann, die Spannung weicht. Bleibt was? Dieses unser Land hat der Union für das zu danken, was sie in den vergangenen kurzweiligen Tagen zerstörte, an den Tag beförderte und in Gang setzte; während die alternativen Grünen mit ihrer höfischen Kandidatenkür die Republik sedierten.

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Illusionen von Ort- und Zeitlosigkeit

Bild: Engelbert Niehaus, GFDL CC-by-4.0/ wikimedia commons

Videokonferenzen sind zu einer wichtigen Verbindung zur Außenwelt geworden, sie versammeln Menschen über große Entfernungen hinweg. Die Technologie war schon länger vorhanden, war aber nicht konsequent genutzt worden. Viele Führungskräfte wollten ihre Mitarbeiter:innen um (und unter) sich haben.  Erst seit der Corona-Pandemie finden digitale Alternativen zur Kooperation mit „physisch präsenten“ Menschen breite Anwendung. Inzwischen hat die Bundesregierung die Unternehmen aufgefordert, ihren Beschäftigten die Möglichkeit des Homeoffice und der Kommunikation durch Videokonferenzen einzuräumen.
Vor 50 Jahren wurde die dreieinhalbstündige Reise von Paris nach New York im Überschall-Passagierflugzeug Concorde damit beworben, dass sie „den Atlantik verschwinden“ lasse. Was lassen Videokonferenzen verschwinden?

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Die Kandidatenkür, ein Totalschaden

1980, 2002, 2021: Kommt es zur bayerischen Dreifaltigkeit der CS [trauß/ oiber/ öder] U-Kanzlerkandidaten? (Fotos: wikimedia commons)

Der Boulevard brachte es kurz und knapp auf den Punkt. Es war Dienstag Nachmittag, die Sitzung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion hatte gerade begonnen, da titelte die Online-Version der BILD-Zeitung: „Showdown im Reichstag – Der wichtigste Machtkampf des Jahres“. Tatsächlich trug sich zur gleichen Zeit im Bundestag ein Spektakel zu, wie es auch das trubelgeübte Berlin nur selten erlebt. In der Sitzung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion prallten die Fangruppen der Kanzleramtsaspiranten Markus Söder und Armin Laschet so heftig aufeinander, dass der badische Abgeordnete Olaf Gutting entnervt twitterte: „Spielt Mikado oder Russisch Roulette! Aber einigt euch!“ Später löschte er seinen Tweet wieder.

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Was unsere Ohnmacht ihnen schenken kann, das Gedächtnis

Vor 76 Jahren, am 18. April 1945, wurde das KZ-Sachsenhausen von der voranrückenden Roten Armee befreit. Studierende der Filmuniversität Babelsberg haben in Zusammenarbeit mit dem Autor und Regisseur Alfred Behrens ein Hörstück produziert, das Erinnerung und Erklärung mit der Ermahnung verbindet, die aktuellen Tendenzen nicht zu übersehen, die in einen neuen Faschismus hineinzutreiben drohen.

Das Kulturradio des Rundfunks Berlin-Brandenburg (RBB) hat das Hörstück mehrfach ausgestrahlt. Auf rbb-online kann man die Sendung nachhören. Ein Gespräch zum Hörspiel steht hier auf youtube. Auf der Website der Gedenkstätte Sachsenhausen ist das Stück in einer erweiterten fünfteiligen Version abrufbar. Im Folgenden einige Textauszüge.

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Scheinzwerge, durch die Maschen des Lieferkettengesetzes schlüpfend

Bild: madartzgraphics auf pixabay

Ein Beweggrund für das deutsche, nun verabschiedete Lieferkettengesetz liegt in Bangladesch. In der dortigen Textilindustrie stürzten Fabriken ein und begruben die Arbeiterinnen unter sich. Dort brannten Fabriken ab, und die Näherinnen fanden alle Fluchtwege verschlossen. Im letzten Jahrzehnt starben etwa 1.300 Menschen in der pakistanischen Textilindustrie. Wer kommandiert diese Industrie; ist es korrekt, sie als pakistanisch zu bezeichnen?

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Gewalt, Befreiung, Umbrüche

Eine solche Namensschwester zu ignorieren, wäre nicht in Ordnung. „BRUCHSTÜCKE ’45 – Von NS-Gewalt, Befreiungen und Umbrüchen in Brandenburg“ heißt eine Ausstellung der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten mit einem Begleitprogramm. 45 Bruchstücke, darunter ein Stück Landkarte, ein Bombensplitter und eine umgebaute Zimmertür, sind die Ausgangspunkte für 45 Geschichten aus 1945, einem Jahr der Gewalt, der Befreiungen und der Umbrüche in Brandenburg. Zunächst werden alle 45 Bruchstücke in Kooperation mit dem Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte präsentiert, anschließend gehen sie zurück in die Region, aufgeteilt in fünf kleinere Ausstellungen der Gedenkstätten. Ein Flyer gibt eine Übersicht.

Hätte, hätte, Lieferkette

Bild: joelizlar auf Openclipart

Wenn Mundschutzmasken fehlen und ein Centprodukt zum Luxusartikel mutiert, der auf den Weltmärkten mit harten Bandagen erkämpft werden muss, stellt sich die Frage: Wieso hat die hiesige Medizin- und Pharmabranche keine Zellstoffproduktion zu bieten. Die rhetorische Frage kommt der Aufforderung gleich, solche dringend notwendigen Produkte und Vorprodukte doch im eigenen Land herzustellen. Um beim Zellstoff zu bleiben: Die Region um das bayrische Hof war einmal ein Zentrum dieser Produktion, aber den Großen der Branche, den Brauns und Hartmanns, waren die dort gezahlten Löhne zu hoch, also hat man das Ganze nach China verlagert. In der Debatte um eine Neuordnung der Lieferketten – das Bundeskabinett hat Anfang März 2021 einen Gesetzentwurf verabschiedet – steht ein weißer Elefant im Raum: die Verlagerungspraxis der Unternehmen. Sie ist deren Renditeerwartung geschuldet, und wer der Neuordnung das Wort redet, darf nicht verschweigen, wie er es mit dem Outsourcing hält.

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„Indianerhäuptling“ – ein schändlich diskriminierender Ausdruck?

Bild: Openclipart

„Das Überziehen des Richtigen kann zum Falschen führen!“ ist der Titel eines Aufrufs, der im linken und grünen Spektrum kursiert und sich gegen eine Tendenz richtet, die einen Höhepunkt auf dem kürzlichen Parteitag der Berliner Grünen hatte. Deren Bürgermeisterkandidatin Bettina Jarasch hatte von ihrem Kindheitswunsch „Indianerhäuptling“ gesprochen. Dies löste eine Empörungswelle bei einem Teil der Grünen aus. „Indianer“ sei ein diskriminierender, migrantenfeindlicher Ausdruck. Wie reagierte Bettina Jarasch?  Sie entschuldigte sich zutiefst für ihre Formulierung und gelobte Besserung. Das erinnert an stalinistische Unterwerfungs-Rituale.

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(N°12) Die Pandemie ist erst der Anfang

Intromusik von terrasound.de

Die UN hat 2015 einstimmig die Agenda 2030 beschlossen. Nicht viele kennen sie, noch weniger orientieren sich an ihr. Dabei ist sie der Fahrplan, nach dem sich die Weltgesellschaft wegen Pandemien, Klimakatastrophe und sozialer Spaltung aus eigener Kraft umkrempeln soll. Mit einschneidenden Folgen für den Alltag eines jeden.
Horand Knaup und Wolfgang Storz im Gespräch mit Thomas Weber, dem Mister Nachhaltigkeit im Berliner Regierungsviertel, über das Notwendige und fast Unmögliche.

Ein 1jähriges Kind seiner Zeit feiert Geburtstag

Dich hat niemand gefragt, du hast hier nichts zu sagen, so wird unaufgefordertes Dazwischenreden zurecht- und zurückgewiesen. Bruchstücke, das Blog für konstruktive Radikalität, redet seit genau einem Jahr ungefragt dazwischen. Es war ein Corona-Krisenjahr; wenn niemand etwas Genaues weiß, haben alle etwas zu sagen, bruchstücke auch. Erst einmal sagen wir danke, unseren Autor:innen, unseren Leser:innen und Hörer:innen; und dann versprechen wir uns als Team, die Wundertüte, die dieses Blog sein will, weiter zu füllen – jede Autorin auf ihre, jeder Autor auf seine Weise. „Immer steht irgendjemand mit wirren Haaren auf und weiß, wie die Welt zu richten ist“, sagt Peter Fuchs mit skeptischer Vernunft. Wir stimmen ihm zu, schon weil wir mehrheitlich keine wirren Haare haben, aber wir halten es auch mit Georg Christoph Lichtenberg: „Ich kann freilich nicht sagen, ob es besser wird, wenn es anders wird; aber so viel kann ich sagen, es muß anders werden, wenn es gut werden soll.“ Mit dieser Haltung gingen wir an den Start. Heute sind wir 166 Beiträge, 30 Podcasts und 211 Kommentare weiter. Als Geburtstagsständchen wünschen wir uns das Kinderlied „Wir werden immer größer, jeden Tag ein Stück. Große bleiben gleich groß oder schrumpfen ein. Wir werden immer größer.“

(N°11) Zwischen Absturz und Chance

Intromusik von terrasound.de

Die offene K-Frage der Union, die Schein-Chance der Grünen und das Verharren der Sozialdemokratie – sechs Monate vor der Bundestagswahl scheint das Rennen völlig offen. Horand Knaup und Wolfgang Storz im Gespräch mit der Meinungsforscherin Yvonne Schroth von der Forschungsgruppe Wahlen.

Wo leidet welche Kultur?

Privatkonzert: Alcaeus spielt Sappho vor. Mit Sicherheitsabstand. Bild von Lawrence Alma-Tadeus.
Kultur, wenn auch kitschige. (Wikimedia Commons)

Kann die „Kultur“ sich wieder dem Publikum öffnen? Augenscheinlich scheibchenweise. Ich habe bereits das Folkwang Museum besucht. Mit „Zeitfensterticket“ (einer der gut 1000 Neologismen der Corona-Ära), Kontaktformularabgabe, immerhin nur mit respirationsfreundlicher OP-Maske bewehrt. Dass die Kultur unter Corona leidet, höre, lese und sehe ich gefühlt dutzendfach an jedem Tag, langsam sich steigernd seit einem Jahr. Allein das müsste mich skeptisch machen.

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(KW12) Die Illusion von Perfektion in der Krise

Intromusik von terrasound.de

Warum sind wir nicht auch Weltmeister im Impfen? Warum kann in Großbritannien Boris Johnson einen strengen Lockdown durchsetzen, so streng, dass Karl Lauterbach und Lothar Wieler davon nicht einmal zu träumen wagen?
Horand Knaup und Wolfgang Storz streiten, warum die Politik so überfordert erscheint und ob sie in einer Demokratie tatsächlich für alles zuständig ist.

Fundstücke der Woche:
1. Schulen dösen im digitalen Niemandsland
2. Umgang mit NGOs im Mittelmeer

Das alte machtpolitische Spiel, hoffnungslos überholt

Würde das Gefüge Brüssel – Nationalstaaten – Regionen – Städte digitalisiert als komplexes Modell zur Verfügung stehen, könnte sich – frei nach dem Dauerbrennerzitat „Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch“ (siehe Mathias Greffrath)- Künstliche Intelligenz als wirkungsvolles Werkzeug erweisen. (Bild: Ursula Herrmann /Foto: Jo Wüllner)

Mehr oder weniger Brüssel? Die Frage kann so nicht beantwortet werden.
Ob mehr oder weniger Brüssel richtig, wünschenswert, zukunftsträchtig ist, hängt doch in erster Linie davon ab, ob Brüssel funktioniert und in zweiter Linie, ob es als funktionierend wahrgenommen wird. (Was „funktionieren“ heißt, lasse ich gut positivistisch hier beiseite; der Text würde wuchern.)
Fakt ist (ich erspare uns Umfragedetails): Brüssel wird auf lange Rückschau hin als nicht funktionierend wahrgenommen. Und aktuell (Corona) wird es als chaotisch bis katastrophal bewertet. Daher nutze ich Corona als analytischen Hintergrund für einen sehr anderen Vorschlag. Hat die EU nun Chaos in Sachen Corona produziert? Mit Sicherheit. Ist sie „schuldig“?

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bruchstücke