(I) Das Basislager des Rechtsextremismus: unser Alltag

Berlin Lustgarten, 1933 (wikimedia commons)

Die Auftritte der Rechtspopulisten, auf jeden Fall der Extremisten unter ihnen, scheinen vom zivilisatorischen Minimum so weit entfernt zu sein, dass es sehr schwer fällt, die Anziehungskraft zu begreifen, die sie auf beachtliche Teile der Bevölkerung in Deutschland und vielen anderen Ländern ausüben. Demgegenüber wird hier die These vertreten: Das Basislager des Rechtsextremismus ist unser moderner Alltag. Die Übergänge zwischen normalen Lebenswelten und rechtspopulistischen bis -extremistischen Sicht- und Verhaltensweisen sind fließend, die „Brandmauer“ ist künstlich (und deshalb umso wichtiger). In einer Bruchstuecke-Serie mit den fünf Teilen „Selbstverantwortung“, „Soziale Unterschiede“, „Meinungsfreiheit“, „Partei und Gemeinwohl“, „Krisen und die Überforderung der Politik“ wird für diese These argumentiert.

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Der Schutz der Kirche geht vor, nicht das Leid der Opfer

Der Rechtsstaat schaut zu: Noch immer verhindern Bischöfe, dass die klerikalen Missbrauchs-Verbrechen von staatlicher Seite untersucht und aufgeklärt werden. Vorrang hat der Schutz der Kirche, nicht das Leid der Opfer. Konsequente Verfolgung und Verurteilung findet nicht statt. Stattdessen will die Katholische Kirche, den Opfern eine »tatorientierte Grundpauschale« zahlen. Im Namen des Herrn …

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Zielkonflikte ökologischer Transformation: Wasserknappheit im Süden Spaniens

Tajo bei Aranjuez, rund 50 km südlich von Madrid (Benjamín Núñez González auf wikimedia commons)

Wenn alternative Formen der Energieerzeugung anstelle der Nutzung von Kohle und Atomkraft real werden, wie dies im Falle des Baus von Windparks und neuer Stromtrassen der Fall ist; wenn Inlandsflüge verboten werden sollen oder der Wasserverbrauch verringert werden soll, um die Umwelt zu schützen, entstehen Zielkonflikte. Dafür gibt es Gründe: zum einen strapaziert ökologisches Handeln in sozial integrativer Hinsicht den gesellschaftlichen Zusammenhalt und läuft Gefahr seine Legitimation zu verlieren, zum anderen kollidieren ökologische Strategien mit systemintegrativen Erfordernissen vor allem der Wirtschaft. Im ersten Falle gehen Bürgerinnen und Bürger auf die Straße und bestrafen die Regierung an der Wahlurne. Im zweiten Fall drohen Unternehmen damit, ihren Standort zu verlegen. Für die Regierenden aller europäischen Staaten ist es schwer, darauf adäquat zu antworten. Ich will dies an Beispielen aus der neueren Vergangenheit erläutern.

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Pessimistische Blicke, nostalgische Seufzer im Nachbarland

In Hamburg-Blankenese versuchten sich Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Bundeskanzler Olaf Scholz fröhlich lachend an Fischbrötchen und gelobten sich nach einer zweitägigen gemeinsamen Kabinettssitzung „gegenseitige Faszination“. In der „Süddeutschen Zeitung“ geißelte der Schriftsteller und frühere Verlagsboss des Frankfurter Fischer Verlags, Jörg Bong, „Baerbocks Verachtung“, weil die Goethe-Institute in Bordeaux, Lille und Straßburg geschlossen werden sollen (vier weitere von Paris bis Toulouse bleiben bestehen). Und am selben Tag (11.Oktober) veröffentlichte die Zeitung „Le Monde“ eine Umfrage unter unseren Nachbarinnen und Nachbarn: Sie bestätigt, dass die Franzosen an der guten Laune bei Fischbrötchen und der angeblichen „katastrophalen Ignoranz“ der deutschen Außenministerin an Goethe-Instituten kein Interesse haben. Das diesjährige Stimmungsbild eines führenden Forschungsinstituts belegt vielmehr eine tiefe Unzufriedenheit der Befragten mit der Demokratie, eine wachsende Wut und eine ebenso wachsenden Neigung, die rechtsradikale Marine Le Pen vom „Rassemblement National“ für regierungsfähig zu halten.

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Der hippe Begriff „New Work“

Bild: Chenthil Maha auf wikimedia commons

Wenn externe Unternehmensberater von “New Work” schwärmen und Vorgesetzte dadurch angeregt das “agile Arbeiten” propagieren, sollten bei den Beschäftigten die Alarmglocken klingeln. Denn bei solchen Floskeln, deren inflationäre Verwendung auf Abteilungskonferenzen oder in Mitarbeitergesprächen bisweilen an Realsatire grenzt, handelt es sich meist um alten Wein in neuen Schläuchen. Mit ihrem Motivations-Sprech versuchen die Führungskräfte, verbal gute Laune zu verbreiten. ‚Positiv denken‘ lautet ihre wichtigste Botschaft – auch und gerade dann, wenn sie an den betrieblichen Strukturen nichts Wesentliches ändern wollen.

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Schockstarre oder Weckruf?

Screenshot: Website SPD
Screenshot: Website SPD

Das Ergebnis der Landtagswahlen in Hessen und Bayern wurde für die Parteien der Ampelkoalition die erwartbare Katastrophe, insbesondere für die SPD in beiden Bundesländern ein schmerzlicher Absturz. Das Wahlergebnis ist wegen des erkennbaren Rechtsruckes auch eine Gefahr für das ganze Land. Denn, wenn nichts passiert, treibt Deutschland bis zur Bundestagswahl 2025 einer rechten bis rechtsextremen Mehrheit zu, wenn man die Landtagswahlen 2024 mit im Blick hat. Aber das Wahlergebnis bietet auch Chancen, wenn die Ampelkoalition es als Weckruf erkennt. Mehr als 80% der Wähler:innen haben demokratischen Parteien ihre Stimme gegeben. Für keine der Parteien der Regierungskoalition sind in den Landtagswahlen des nächsten Jahres Erfolge zu erwarten. Die Parteien werden nicht in Konflikten gegeneinander, sondern nur durch eine gemeinsame Politik miteinander Erfolge erringen und einen weiteren Rechtsruck verhindern können 

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Die AfD gefährdet den Wirtschaftsstandort

Download Otto Brenner Stiftung

Wen die aktuellen Umfragezahlen für die AfD überraschen, der hat sich lange schon in die Tasche gelogen. Seit vielen Jahren gibt es die sogenannte Leipziger Mittestudie, eine alle zwei Jahre durchgeführte Untersuchung, die letzte unter dem Titel Autoritäre Dynamiken in unsicheren Zeiten publiziert. Das Wort Mittestudie ist eigentlich ironisch zu nehmen; die Leipziger Sozialforscher konstatieren, die berühmte Mitte der Gesellschaft fühle sich am rechten Rand ganz gut aufgehoben. Wie auf den von der Demoskopie dokumentierten und sich vermutlich in den nächsten Landtagswahlen niederschlagenden Erfolg der AfD reagieren? Der Autor dieses Artikels sieht die deutschen Konzerne in der Pflicht. Die Vorstände der DAX-Unternehmen und ihre Verbände als Antifa? Sicherlich nicht. Aber als Stimme der Öffentlichkeit, die der rechten Partei den Weg nach ganz oben verlegen kann, sind die Unternehmensvorstände von größtem Wert.

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Ein langweiliger Cocktail von „sollen“ und „müssten“?

Foto: SonMea451 auf Pixabay

#1 Wo stehen wir? Jedenfalls nicht dort, wo wir müssten. Das Jahr der klimawandelbedingten Negativrekorde ist auch ein Jahr des klimapolitischen Rückschritts. Ein solcher ist nicht nur dann festzustellen, wenn es eine Bewegung zurück hinter den schon erreichten Stand gibt. Denn auch das muss ja festgestellt werden: Es gibt auch Fortschritt, und nicht einmal wenig, siehe etwa der wachsende Anteil der Stromerzeugung aus Erneuerbaren. Rückschritt kann es aber auch in der Vorwärtsbewegung geben, einfach weil das, was getan, vereinbart, umgesetzt wird, hinter den stets aufs neue zu taxierenden, sich wandelnden Herausforderungen einer biophysikalischen Existenzkrise zurückbleibt, die sich, das jedenfalls ergibt die Gesamtschau der Daten, beschleunigt. Die Lex Wissing, also das Aushöhlen des Klimaschutzgesetzes, ist dafür nur ein Beispiel, eines freilich, das eine Regierung in Aktion zeigt, die sich sowohl über Physik als auch Verfassungsrechtsprechung hinwegzusetzen bereit ist.

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Denkanstöße zu Gott, Göttern und dem irdischem Bodenpersonal

Bertrand Russell mit seinen Kindern John und Kate
(Unbekannter Fotograf auf wikimedia commons)

Der Aufklärer und freidenkende Atheist Bertrand Russell hat vor fast einhundert Jahren den Text »Warum ich kein Christ bin« geschrieben. Jetzt ist er als Taschenbuch erschienen. Helmut Ortner empfiehlt ihn zur Lektüre.
Es ist nicht einfach mit Gott und der göttlichen Wahrheit. Der religiöse Glaube ist zwangsläufig an einen Absolutheitsanspruch gebunden, der keine Abweichungen und Kompromisse verträgt, sonst stürzt das ganze Glaubenskonstrukt in sich zusammen – und damit die Hoffnung auf eine Erlösung und ein Leben nach dem Tod. Und so unterlassen es die enthusiastischen Gläubigen konsequent – mitunter radikal und fanatisch! – den Gottesbeweis zu erbringen. In dieser Warteschleife lebt der gläubige Mensch. Schon als Siebzehnjähriger war ich zu ungeduldig für diese nebelige, himmlische Warteschleife.

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Vom Stellungskrieg zu Waffenstillstand und Verhandlungen

Bild: Mygraphx auf Pixabay

Während der russische Angriffskrieg in der Ukraine militärisch in einem Patt steckt, geht das Leiden in der Bevölkerung weiter und die Eskalationsgefahr bleibt ungebannt. Es ist höchste Zeit über Wege an den Verhandlungstisch nachzudenken. Die nachfolgenden, Anfang September 2023 verfassten Ausführungen zu möglichen Auswegen aus dem Ukrainekrieg beruhen auf Einschätzungen, die spätestens seit November 2022 so oder ähnlich auch von führenden Militärs westlicher Staaten vorgetragen werden sowie von unabhängigen Militärexperten, die nicht im Sold regierungsnaher Denkfabriken stehen.

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Sackgasse Ukrainekrieg

Amaury Laporte auf wikimedia commons

Der Angriffskrieg Russlands mit dem Ziel, die Ukraine zu vernichten oder zu teilen und gefügig zu machen, dauert immer länger und verlangt immer mehr und wohl längere Unterstützung. In der Tat, Zeit abzuwägen, wie Deutschland und Europa sich auf die Dauer verhalten sollen und was auf uns zukommt, wenn wir einen Diktatfrieden Russlands verhindern und Grundlagen für Verhandlungen über eine völkerrechtlich tragfähige Friedens- und Sicherheitsordnung schaffen wollen. Dazu verstärkt sich die Debatte in Deutschland.

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Im Wahlsieg vereint, für einige Augenblicke

Es ist ein Triumph. Ein grandioser Sieg. Gerhard Schröder und Oskar Lafontaine reißen gemeinsam die Arme in den Himmel und lassen sich vor der Bonner SPD-Zentrale von jubelnden Anhängern feiern. Die ersten Hochrechnungen an jenem 27. September 1998 hieven die Sozialdemokraten nach 16 Jahren Kohl endlich wieder an die Spitze der Parteienlandschaft. 40.9 Prozent! Die Begeisterung kennt keine Grenzen. Der zukünftige Kanzler Schröder und der Parteivorsitzende Lafontaine strahlen. Im Sieg vereint. Wenigstens für den Augenblick.

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Papstrede: Lichtblick und Ärgernis

Gründe, die katholische Kirche als Ärgernis zu bezeichnen, gibt es in den letzten Jahren und Monaten genug. In immer kürzeren zeitlichen Abständen kommen neue Gründe hinzu. Das Verhältnis Staat Kirche kann und wird so nicht auf Dauer Bestand haben. Und da kommt dann plötzlich bei einem aktuellen Thema ein kleiner Lichtblick: Der von vielen geschätzte Papst Franziskus hält im September (am 22.09.2023) in Marseille bei dem Mittelmeer-Treffen eine Rede, in der er vom „Schiffbruch der Zivilisation“ spricht, von einem „Schmerzensschrei“ der Migranten und von Migration nicht als Notfall, sondern als der „Gegebenheit unserer Zeit“.

Foto: Ggia auf wikimedia commons
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Kein guter Zustand im Rechtsstaat

Screenshot: Website „Kita-Verband-Buxtehude.de

Buxtehude? Ja, Buxtehude, oben im flachen Norddeutschland. Die Stadt darf sich »Hansestadt« nennen und davon gibt es nicht allzu viele im Land. Knapp vierzigtausend Menschen leben hier und sie sind stolz auf ihre geschichtsträchtige, schmucke Altstadt; lieben das grüne weite Umland und die nahe Nordsee, keine neunzig Kilometer entfernt. Die Menschen fühlen sich wohl in Buxthut, wie die Einheimischen ihre Stadt »plattdütsch« nennen. Auf den gelben Ortschildern steht es selbstbewusst unter dem offiziellen Stadtnamen. Das »Institut für niederdeutsche Sprache« in Bremen hat dazu seinen Segen gegeben. Es soll ja mit rechten Dingen zugehen, wenn es neben Buxtehude auch noch ein »Buxthut« gibt. Alles könnte also hier seinen gewohnten Gang gehen. Doch es rumort in der Idylle, der Stadt- und Landfrieden ist nachhaltig gestört.

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Freier Autor – krasser Job

You’re still young, that’s your fault.
Cat Stevens, Father and Son

Für meinen Sohn Michael

F: Du träumst von einem Beruf, der sich gar nicht ergreifen lässt, weil es ihn nicht gibt. Man nennt sowas Tagträume. Dusche kalt, mach Dich nüchtern, und überlege, was der Arbeitsmarkt nachfragt, und was Du ihm anbieten kannst.
S: Kalt duschen, sich abhärten, ich dachte, das sind die Sprüche von deinem Vater. Ich will doch nicht werden, was der Arbeitsmarkt nachfragt, das ändert sich sowieso ständig, sondern was mein Ding ist, und das ist nun mal, als Freelancer für Zeitungen schreiben.
F: Du hast eine völlig verkehrte Vorstellung davon, was free in diesem Zusammenhang bedeutet. Ein freier Autor ist einer, der meistens frei hat, während andere ihre Texte tippen, veröffentlichen und dafür am Monatsende ihr Geld bekommen. Das Wort ist ein Euphemismus, laut Duden also etwas, was eine beschönigende, verhüllende oder sprachlich mildernde Wirkung hat.

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bruchstücke