Klaus von Beyme: Die SPD ist zu sehr in der Mitte der Merkel-Treuen

Klaus von Beyme, Nestor der deutschen Politikwissenschaft mit hoher internationaler Reputation, würde dem SPD-Politiker Karl Lauterbach einen Oskar für auffällig kluges Handeln in der Corona-Krise verleihen. Gegenüber dem Team-Blog bruchstuecke.info äußerte sich von Beyme auch zur Lage der SPD mit den Worten: „Die SPD ist zu sehr in die Mitte der Merkel-Treuen gerückt. Sie hat seit 1990 zu häufig den Vorsitz gewechselt und zur Zeit keinen überzeugenden Vorstand.“

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Panikblödheit oder Wir sind zwar dumm, aber klug genug zu lernen

Gerd Altmann auf Pixabay

Seit Monaten höre ich zwei verschwisterte Klagen. Die eine: Deutschland sei ein Flickenteppich. Die andere: Europa sei ein Flickenteppich. Beklagt wird gleichermaßen, dass es zu wenig einheitliche, abgestimmte, synchronisierte, am besten aber: irgendwo „von oben“ durchgreifende Maßnahmen gibt, um das allwaltende mikrobielle Böse in seine Schranken zu weisen. Deutschland ist den Klagen nach ein föderalistischer Flickenteppich. Europa ein Flickenteppich der irgendwie eigensinnigen bis national-egoistischen Staaten. Durchgreif-Staaten wie China hingegen werden gelobt, aber zugleich verdächtigt, zu vertuschen, zu verschleiern, zu unterdrücken, was das Durchgreif-Lob dennoch nicht entkräftet. Es wird vielleicht geahnt, dass das harte Durchgreifen sich nur durch Verschleierung von Kollateralschäden legitimieren kann. Wäre mehr davon auch für deutsche Mentalitäten sinnig?

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Die Freiheit, die wir meinen (sollten)

(Foto: torange.com)

In diesem immer noch jungen 21. Jahrhundert sitzen wir ideologisch in der Klemme. Unser Diskurs wird weitgehend bestimmt von zwei großen Glaubens-, oder besser: Fetischsystemen, die sich auf den ersten Blick zu ergänzen scheinen. Das erste System ist der Marktliberalismus, der Glaube an die segensreiche Macht individueller Konsumentscheidungen, an die Heiligkeit des privaten Eigentums, an die Verwerflichkeit staatlicher Interventionen und kollektiver Mandate. Das zweite ist die Digitalisierung, ein technologisch getriebener Wandel der Produktions-, Administrations- und Reproduktionssphären, der in den letzten 30 Jahren weitgehend alle Fortschrittsvisionen und -hoffnungen besetzt und damit blockiert hat.

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Befreiung in Zeiten des Lockdowns oder Freiheitskämpfer an allen Fronten

Bild: Lechenie Markomanii auf Pixabay

Was macht es mit einer Gesellschaft, wenn sie für das Wichtige und das Wahnhafte, für höchste Verantwortung und größte Dummheiten nur ein einziges Wort hat? Es ist das Wort, das die Enzyklopädie Philosophie definiert als „die Fähigkeit, sich selbstständig zu bewegen, zu verhalten oder zu bestimmen“. Unbeschränkt fördere diese Fähigkeit die Beschränktheit, meint ein Kabarettist. Zweifelsfrei steht an der Spitze der Fähigkeiten, sich selbständig zu bewegen, bezahltes Fußballspielen. Solange das nicht geht, scheint alles verloren. Aber seit „Fight Club“ wissen wir, „erst nachdem wir alles verloren haben, haben wir die Freiheit, alles zu tun“.

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Gegen die Wand gefahren – Machtdelle der Autolobby?

Bild: Mohamed Hassan auf Pixabay

Verschiebt sich in dieser Krise das bisherige Macht-Gefüge? Ein vorläufiger spannender Hinweis: Im ersten Anlauf hat die Autoindustrie, einschließlich IG Metall und deren Betriebsräten, sich bei Olaf Scholz und Angela Merkel eine blutige Nase geholt und nicht das Geforderte bekommen, nämlich vom Steuerzahler finanzierte Kaufprämien. Das gab es bisher noch nie. Wir entscheiden frühestens Ende Mai, hieß es im Kanzleramt. Wurden bei diesem Auto-Gipfel nur Entscheidungen verschoben oder gar Einfluss und Macht?

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Her mit dem schönen Leben – gute Gründe, sich jetzt einen Care-Aufbruch zu wünschen

Obwohl knapp zwei Drittel aller hierzulande geleisteten Arbeitsstunden unbezahlte und bezahlte Sorgetätigkeiten sind, drehe sich die politische und wirtschaftliche Debatte – auch während und trotz Corona-Krise – schon wieder vorrangig um das andere Drittel, also produzierendes und verarbeitendes Gewerbe. Zeit für einen Care-Aufbruch, meint Gabriele Winker, Mitbegründerin des Netzwerkes Care Revolution.

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Für Vernunft braucht es keine Nationalität

„Auch die Apokalyptiker glauben ja an eine einwandfrei absehbare Zukunft, die keinen Zickzackkurs kennt und keine Ungleichzeitigkeit zulässt. Ihr Pessimismus ist ebenso gradlinig und fantasielos wie der Optimismus, der die Fraktion des unaufhaltsamen Fortschritts auszeichnet.“

Hans-Magnus Enzensberger

„Es ist überhaupt nicht erwiesen, dass die Todesursache wirklich ein Hai war.“
– „Sie müssen den Strand so schnell wie möglich wieder öffnen, sonst sind wir Ende der Saison Pleite.“

Der weiße Hai, Steven Spielberg, 1975

„Aus jeder Krise erhebt sich die Menschheit mit einem größeren Anteil an Wissen, höherem Anstand und reineren Zielen.“

Franklin D. Roosevelt, US-Präsident von 1933 bis 1945

„Das Publikum übt sich in ‚doppelter Moral‘. In ihr lebt das Individuum risikobereit vom Rauchen bis zum Autofahren, als Bürger eines Kollektivs aber ist es bis zur Hysterie unfähig zur Duldung von Restrisiken politischer Entscheidungen.“

Klaus von Beyme: Theorie der Politik im 20. Jahrhundert, Frankfurt 1991, S. 327

„Wenn die Bakairi mit ihrem Häuptling unzufrieden sind, verlassen sie das Dorf und bitten ihn, doch allein zu regieren.“

Karl von den Steinen: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Reiseschilderungen und Ergebnisse der zweiten Schingú-Expedition 1887–1888. Geographische Verlagsbuchhandlung von Dietrich Reimer, Berlin 1894 , S. 529
Karl von den Steinen (* 7. März 1855 in Mülheim an der Ruhr; † 4. November 1929 in Kronberg im Taunus) war ein deutscher Mediziner (mit Schwerpunkt Psychiatrie), Ethnologe, Forschungsreisender, Amerikanist und Schriftsteller wichtiger ethnologischer Werke, der sich besonders um die Erforschung der Indianerkulturen Zentral-Brasiliens und die Kunst der Marquesaner verdient gemacht hat.

„Für Vernunft braucht es keine Nationalität.“

Werner Schulz

Mit allem gebührenden Respekt – Wir, die Geflüchteten in Schneeberg

Wie unterschiedlich social distancing ausgelegt werden kann, läßt sich allerorten beobachten. Besonders deutlich wird der Widerspruch zwischen der angeordneten Distanzierung und der sozialen Wirklichkeit in den Unterkünften für Geflüchtete. Nicht nur an den EU Außengrenze, wo Menschen beispielsweise in Griechenland und Rumänien seit Monaten unter Bedingungen zusammengepfercht werden, die inhuman sind – ohne oder mit Pandemie. Auch in den Aufnahmeeinrichtungen, in denen Geflüchtete in Deutschland untergebracht werden, lassen sich die empfohlenen Abstandsregeln nicht einhalten. Im sächsischen Schneeberg haben sich die Bewohnerinnen und Bewohner vor einer Woche mit einem offenen Brief an die Betreiber gegen diese Zustände zur Wehr gesetzt. Das in englisch verfasste Original findet sich auf der Website des Sächsischen Flüchtlingsrates. Wir haben den Brief übersetzt und dokumentieren ihn mit einigen sprachlichen Anpassungen.

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Eine oder KEINE Krise wie jede andere Teil II

Bild: geralt auf Pixabay

Die Überschrift ist falsch, weil die Corona-Krise eine und keine Krise wie jede andere ist. Als flammte in einer Höhle plötzlich Festbeleuchtung auf, so macht die aktuelle Krise wie keine vor ihr sichtbar, dass Netzwerke alle und alles zusammen halten. Die Knotenpunkte, diese selbstbezogenen Personen und egozentrischen Organisationen, sind ohne ihre Verbindungen, ohne ihre interaktiven Begegnungen, ohne ihre Offline- und Online-Kontakte verloren. Die Kontaktsperre beleuchtet die Kontakte.

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Klima und Corona: Zwei Krisen – eine Antwort

1. Die Klimakatastrophe und die Corona-Pandemie sind keine voneinander unabhängigen, schicksalhaften Ereignisse. Abläufe der natürlichen Umwelt wirken gegen die Menschheit, weil diese sich auf dem Globus zu viel Raum genommen und ihren Stoffwechsel mit der Natur zu sehr beschleunigt und intensiviert hat. Sie zerstört ihre eigenen natürlichen Lebensgrundlagen und rückt zu dicht an die Lebensräume anderer Lebewesen. Die Risiken sind nicht mehr kalkulierbar.

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Wirtschaft als Geiselnehmer, Gewerkschaft als Sympathisant

Großflächenplakat des Deutschen Gewerkschaftsbundes (links) im Bundestagswahlkampf 1998, gesehen in Düsseldorf, fotografiert von Sieglinde Rübel-Arlt

„Der eine versteht von selbst etwas; der zweite versteht etwas, wenn es ihm von anderen klar gemacht wird, und der dritte versteht weder von selbst etwas, noch wenn es ihm von andern verdeutlicht wird.“ (Machiavelli) Wer jetzt nicht versteht, dass das bedingungslose garantierte Grundeinkommen ein guter Weg ist, die Arbeit und damit die Bevölkerungsmehrheit aus der Geiselhaft der Wirtschaft zu befreien, dürfte zur dritten Art gehören. Die Möglichkeit einer eigenständigen sozialen Existenz kann und muss grundsätzlich von der Notwendigkeit einer bezahlten persönlichen Arbeitsleistung entkoppelt werden.

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Ein Wiederaufbau-Plan für Mensch und Umwelt!

Bruchstücke verweist in loser Folge auf Impulspapiere, Manifeste, Appelle, die zu nachhaltigen Konsequenzen aus der Coronakrise aufrufen. Hier ein Appell an die Europäische Kommission, den Rat und das Parlament, an nationale Führungskräfte:

„Wir rufen die EU sowie die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedsländer auf, der beispiellosen Krise durch die COVID-19-Pandemie mit Solidarität, Mut und Innovation zu begegnen. Wir wollen nicht zu einem Wirtschaftsmodell zurückkehren, das die sozialen Ungleichheiten verschärft, unsere Gesundheit gefährdet, die Umwelt ausbeutet und das Klima unseres Planeten dramatisch verändert. Es ist jetzt an der Zeit, unsere Wirtschaftsweise radikal und schnell grüner, gerechter und widerstandsfähiger gegen künftige Krisen zu machen. Wir fordern das größte nachhaltige Investitionsprogramm, das die Welt je gesehen hat – unterstützt durch alle verfügbaren Finanzinstrumente der EU und mit dem Ziel, einen gerechten und grünen Wiederaufbau zu finanzieren.“

Dieser Appell basiert auf einer Erklärung, die von Europas führenden Umweltorganisationen unterzeichnet wurde.

Politische Ökonomie der Corona-Krise

An der Cusanus Hochschule für Gesellschaftsgestaltung findet im Sommersemester 2020 eine digitale Ringvorlesung zur „Politischen Ökonomie der Corona-Krise“ statt jeweils  donnerstags von 14.15 h-15.45h live. Vorträge unter anderem von Gesine Schwan, Gerhard Schick, Vandana Shiva, Maja Göpel und Silja Graupe, Leiterin des Instituts für Ökonomie an der Cusanus Hochschule. Gasthörerinnen und Gasthörer können sich hier das Programm anschauen und sich hier anmelden. Themen sind beispielsweise „Ambivalente Globalisierungen – Politik, Ökonomie und Natur in Zeiten von Corona“ und „’Gemeinsinn ist kein Lückenbüßer’ – Wie wir Ökonomie in Krisenzeiten neu gestalten können“.

„Unser“ autokratischer Wohlstand

Auto-Konzerne, seit vielen Jahren verwöhnt mit Milliarden-Gewinnen, versuchen in diesen Tagen, der Bundesregierung eine möglichst hohe Summe an Steuergeldern abzupressen. Ihre Erfolgsaussichten sind hoch, wie immer. Ihr Argument: Sie seien die Leit-Branche der Volkswirtschaft, einer der Pfeiler, auf dem der Wohlstand der Exportnation Deutschland ruhe. Mit anderen Worten: Deutschlands Wohlergehen sei faktisch von ihr abhängig. Vor allem auf dieser faktenhaltigen Erpressung ruhen Macht und Einfluss der Auto-Manager, die in Kanzleramt und Ministerien ein und aus gehen. Ihre Vorstellungen von der Zukunft: Der alte Wahnsinn aus beinahe 48 Millionen zugelassenen Pkw’s mit Verbrennungsmotor geht fließend in einen  neuen Wahnsinn aus künftig 48 und mehr Millionen (selbstfahrenden) Elektroautos über. Das ist ‚ihre’ Verkehrswende. Und dafür läuft die Lobbyarbeit auf Hochtouren.

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EINE oder keine Krise wie jede andere Teil I

Bild: Gerd Altmann auf Pixabay

Eine Krise hat vier Möglichkeiten. Sie kann „nicht so schlimm wie“, „schlimmer als“, „die schlimmste seit“ oder „die schlimmste überhaupt“ sein. Egal wie sie ausfällt: Eine Krise ist eine Krise ist eine Krise, und in Krisen muss etwas gerettet werden; in Computerspielen meistens die Welt, im richtigen Leben geht es auch ein paar Nummern kleiner. In den Aufregungen der aktuellen Rettungsaktion geht manchmal unter, dass Krisen Wiederholungstäter sind, obwohl es Krisen-Handbücher, -Ratgeber, -Pläne, -Leitfäden zuhauf gibt. Welche Wiedererkennungsmerkmale weist die Corona-Krise bei aller möglicherweise feststellbaren Einmaligkeit auf?

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bruchstücke